TV-Kritik: Wetten, dass...?:Bitte schnell abwracken!

Ja, Boris Becker wird heiraten - und Lilly war tief dekolletiert. Das war der Höhepunkt von "Wetten, dass...?" Moderator Gottschalk wurde zum Sofaproblem. Eine kleine Nachtkritik.

Carsten Matthäus

Er hat es selbst gesagt: "Für mich gibt es ja auch schon eine Abwrackprämie". Damit wollte Thomas Gottschalk sich selbst das Stichwort geben für die Saalwette. Er werde einem seiner Zuschauer auf den Rängen die Abwrackprämie verdoppeln, sollte er die Wette verlieren, versprach er.

TV-Kritik: Wetten, dass...?: Auch die Hollywoodstars Jennifer Aniston und Owen Wilson sahen das Programm mit gemischten Gefühlen.

Auch die Hollywoodstars Jennifer Aniston und Owen Wilson sahen das Programm mit gemischten Gefühlen.

(Foto: Foto: Reuters)

Nach dieser Sendung würden vermutlich viele Zuschauer für die Abwrackprämie zusammenlegen, die den ZDF-Moderator endgültig auf den Schrottplatz der Abendunterhaltung befördert. Völlig gelangweilt zuckelte der Veteran mit Ziegenbärtchen, lila Samtanzug und silbernen Lackschuhen mehr als zweieinhalb Stunden durchs Fernsehbild.

Man sehnte sich nach den Werbepausen des kommerziellen Fernsehens. Werbung gab es hier am Samstagabend bei "Wetten, dass...?" im ZDF eigentlich sogar reichlich, nur war immer der unsägliche Gottschalk dabei.

Man sehnte sich nach Pausen

Er pries gemeinsam mit Jennifer Aniston und Owen Wilson - wuff, wuff - einen Hundefilm an, bewarb Hundeschlittenfahrten aus Kleinhabersdorf, machte Reklame für eine Telenovela (ZDF), einen Krimi (ZDF), einen Kurzfilm (ARD) und einen Hildegard-Knef-Film, bestellte die Gold-Biathletin Kati Wilhelm als Kühlergirl für eine kurze Autowerbung ein, hielt das Logo eines Stromanbieters direkt in die Kamera und gab bei einer Wette den Verkäufer von Fußballschuhen.

Aus dem Mund von Thomas Gottschalk, dem Haribo-Bärchen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, klang die Werbung aber derart abgehalftert, dass sogar sie keinen Spaß mehr machte.

Den tiefsten Abgrund erreichte "Wetten, dass...?" auf dem Sofa. Mit Jennifer Aniston und Owen kam Gottschalk auf den Hund und von da nicht mehr weg.

Geistig offenbar nur halb anwesend, moderierte er sich durch das Gespräch mit den beiden Hollywoodstars, um dann die erste Wette anzukündigen: Die Kandidatin müsse "fünf von vier" ihrer Hunde daran erkennen, wie sie ihr Schälchen ausschlabbern. Weil das freundliche Saalpublikum nun versuchte, daraus schlau zu werden, kam auch der nächste Kalauer nicht an: "Wir haben einen Lappen eingestellt, der das aufwischt". Oder war es gar kein Kalauer?

Hollywood auf dem Sofa

Ob der dauerblondgelockte Entertainer überhaupt noch wusste, worüber er redete, daran zweifelte man während der Sendung ein ums andere Mal. Ihm war sowieso egal, was der jeweilige Gesprächspartner sagte. Sofa-Beisitzer waren neben Aniston und Wilson (sie gingen früher, klar) auch Oscar-Preisträger Jochen Alexander Freydank sowie die Schauspieler Heike Makatsch, Andrea Sawatzki und Heino Ferch.

Sofa-Hauptsitzer waren Boris Becker und seine Neue, Lilly Kerssenberg. Die hatten auch die Neuigkeit des Abends zu verkünden: "Wir heiraten am 12. Juni". Gottschalk war hier einen kurzen Moment wach: "Nein, schon wieder, Mensch", platzte er heraus.

In leicht schmieriger Weise wanzte er sich dann an die verdächtig tief dekolletierte Lilly heran, vermutete eine Schwangerschaft und fragte nach Boris' Qualitäten. Leicht perplex antwortete die Braut in spe: "Ich lerne Dinge von ihm, die ich gar nicht wusste." Dieses Zitat lag ziemlich genau in der Mitte des Niveaus auf Deutschlands meistgesehenem Sofa.

Aber eine sinnvolle Unterhaltung konnte sich gar nicht entwickeln, da war der Moderator vor. Jeder, aber auch jeder, wurde mit jeder Frage auf das Paar angesprochen. Gottschalk verhielt sich hier wie ein blonder Gockel, der auf Teufel komm raus Komplimente für das frische Paar einsammelt. Sogar der zwölfjährige Wettkandidat Maximilian musste dafür herhalten: Der biss dann danach in vier Fußballschuh-Spitzen, deren Fabrikat er trotz des peinlichen Geplänkels souverän erkannte.

Thomas Gottschalk hat sich seine Abwrackprämie an diesem Abend redlich verdient.

Bitte schnell abwracken!

Nicht ohne Peinlichkeiten

TV-Kritik: Wetten, dass...?: War das der Höhepunkt? Boris Becker busselt seine Lilly.

War das der Höhepunkt? Boris Becker busselt seine Lilly.

(Foto: Foto: ddp)

Überhaupt waren die Wetten durchaus unterhaltsamer als der Rest, die Kandidaten gewannen sie alle. Die Hundefrau erkannte ihre vier Schlabbermäuler, ein Paar tauschte auf einem Motorrad in voller Fahrt den Vorderreifen aus, drei Trompeter pusteten Hölzchen aus einem Jenga-Turm heraus, und ein Bergfex schoss an der Decke hängend mit dem Fuß Dartpfeile ins Ziel.

Bitte schnell abwracken!

Nicht ohne Peinlichkeiten ging es allerdings bei den Prominenten-Strafen für verlorene Wetten ab. Heino Ferch musste im rotschwarzen Ganzköperkondom auf dem Schwebebalken Knickse machen. Andrea Sawatzki, die vorher schon in einer ihrem Alter nicht adäquaten Robe aufgetreten war, wurde in ein Balettröckchen gesteckt und durch ein Rhönrad gedreht. Während die Kameraführung dem Fernsehzuschauer die Details ihres Höschens ersparte, möchte man nicht wissen, von was die erste Reihe im Saal diese Nacht träumt.

Verunglückt und dumm kitschig kam auch der Becker-Hecht daher, den Boris für seine Lilly durch ein brennendes Herz in ein Rosenbett machte. Wäre Lily mit ihrem schulterfreien Kleid gesprungen, wäre sicher mehr Stimmung in die Messehalle gekommen.

Tja, die Stimmung! Sie war eigentich nie so richtig da. Das Saalpublikum klatschte den Abend in der Regel professionell weg. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, der zweimal ins Bild kam, hatte dennoch sein Dauergrinsen festgeklammert, was niemanden wundern wird. Draußen in der Republik lag das Gähn-O-Meter streckenweise sicher am Anschlag. Sogar die Live-Acts von Oasis, Duffy und Reamonn konnten die Sendung nicht mehr retten.

Uschi Blum rettete den Abend

Nur einmal, zwischen 21.45 Uhr und 21.48 Uhr, kamen die Menschen in der Düsseldorfer Messehalle und wahrscheinlich auch an den Rundfunkempfängern richtig in Schwung. Uschi Blum alias Hape Kerkeling trat auf mit dem Lied "Sklavin der Liebe, Geisel der Nacht". Blum im schwarzen Press-Abendkleid mit unglaublichen roten Locken, um sie herum die Gruppe Friedrichstadtpalast im knappen Sadomaso-Kostüm, dazu Verse wie: "Du warst so durchtrieben, ich war noch unbeschrieben". Perfekt choreografiert, einfach gute Unterhaltung.

Uschi verabschiedete sich nach ihren drei Minuten von Thomas mit den knappen Worten, sie habe noch einen Auftritt im Schlagerparadies Dormagen. Treffender konnte man die Anziehungskraft dieser "Wetten, dass...?"-Sendung nicht auf den Punkt bringen.

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