TV-Kritik: Song Contest:Warten auf den Wetter-Werner

Wenn der Fuchs in fremden Ländern wildert: Der Berliner Peter Fox gewinnt den Bundesvision Song Contest von Stefan Raab. Eine kleine Nachtkritik.

Cornelius Pollmer

Die Entwicklungsstufen des Stefan Raab sind schon erstaunlich. Ganz früher war er mal der krawallige Kaspar mit Ukulule und einer Familienpackung Gel in den Haaren. Heute gilt er gemeinhin als Phänomen, das scheinbar nach Belieben neue und vor allem gute Ideen für Fernsehformate aus dem Sakkoärmel schüttelt.

Bundesvision Song Contest

Bundesvision Song Contest: Gastgeber Raab und Gewinner Peter Fox.

(Foto: Foto: AP)

Von diesen Ideen setzt er derart viele in abend- und nachtfüllende Shows um, dass er inzwischen kaum mehr freie Wochenenden haben dürfte als ein durchschnittlicher Pfarrer.

Am Freitag hatte er wieder einmal zu einer großen Revue geladen, zur fünften Auflage seines Bundesvision Song Contest nach Potsdam Babelsberg.

So bräsig und gelangweilt führte Raab durchs Programm, dass auch Johanna Klum nicht viel zu retten vermochte. Auch, weil sie wie immer mehr Ansagerin blieb denn Moderatorin. Dabei legten die beiden wenigstens ein ordentliches Tempo vor. Bis 22 Uhr hatten sie die Auftritte fast aller 16 Kandidaten durchgepaukt.

Die Vertreter der Länder entschädigten für vieles, was Raab und Klum auf ihrem albernen LED-Fahrgeschäft so zusammenquatschten. Dieses Panoptikum der Popkultur ist ja auch die wahre Stärke von Raabs Alternative, die sie auf absehbare Zeit so viel unterhaltsamer macht als den offiziellen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest - egal, wie oft man diesen noch halbherzig reformieren wird.

Die Vielfalt zeigt sich schon beim Blick aufs Treppchen: Auf Platz drei wählte das Publikum die Metal-Band Rage, seit mehr als 20 Jahren im Geschäft. Auf Platz zwei landete Polarkeis 18, die fragilen Pop spielt und gerade einen großen Hit auf dem Kerbholz hat.

Seine größte Stärke ist zugleich die größte Schwäche des Bundesvision Song Contest: Er braucht Künstler wie eben Peter Fox - kräftige Publikumsmagneten, in deren Windschatten die kleinen Bands zu großer Aufmerksamkeit kommen.

Aber der Fuchs wird zum Problem für die Dramaturgie des Abends, wenn er in fremden Gefilden wildert. Bei der Telefonabstimmung der Länder ist es üblich, dem eigenen Kandidaten die Höchstpunktzahl zu geben. Menschen von Schleswig-Holstein bis Rheinland-Pfalz aber begingen reihenweise Landesverrat und schickten ihre 12 Punkte jeweils nach Berlin zu Peter Fox. Am Ende gewann er mit seiner düsteren und doch lässigen Berlin-Hymne "Schwarz zu Blau" - das zweite Mal nach 2006.

Dass der Song Contest damit nächstes Jahr wieder in Berlin stattfindet, hat zumindest den Vorteil, dass Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck von der Rolle des Schirmherrs erlöst ist. Bei seinem Kurzauftritt nannte er Raab ein bisschen zu oft "mein Lieber" (vier Mal) und verabschiedete sich anschließend mit dem Händedruck eines Fleischermeisters.

Eine traurig-schöne Tradition hingegen bleibt die Vergabe der Punkte, bei der jedes Jahr die skurrilsten Radiomoderatoren des Landes in einer zähen Prozedur durch ihre 15 Sekunden Ruhm stolpern. Den klaren Tiefpunkt an diesem Freitag setzte ein gewisser Morgen-Hans, der in einer mäßig inszenierten Grapsch-Aktion seiner Kollegin an ihre "beiden schönsten Punkte" tatschte. Die "schöne Tschechin Susanka" reagierte nur scheinbar empört, aber wenigstens ihre Ohrfeige war echt.

Sonst sagten die Moderatoren, vom "Wetter-Werner" bis eben zum "Morgen-Hans", fast alle das Gleiche: tolle Show, ist laut hier, zehn oder wahlweise 12 Punkte für Peter Fox.

Das Konzept ist eingespielt und funktioniert. Nur verblasst allmählich der anfängliche Glanz des Neuen. Dass sich über die Jahre eine gewisse Routine einstellt, ist sicher normal. Stefan Raab aber, und das ist seine nächste Entwicklungsstufe und eine Erkenntnis dieses Abends, moderiert inzwischen selbst seine großen Abendshows weg als wären es Bandwettbewerbe auf Stadtteilfesten.

So war der Bundesvision Song Contest 2009 auch deswegen kurzweilig, weil er schon eine halbe Stunde vor dem geplanten Ende vorbei war. Stefan Raab wird es nicht gestört haben - ab ins Wochenende.

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