TV-Kritik: "Satire Gipfel":An opelster Stelle

Lesezeit: 2 min

Ungezuckert und eindeutig überkalauert: Mathias Richling und sein neues politisches Kabarett in der ARD. Stark war nur eine New Yorker Erscheinung namens Guttenberg.

Hans-Jürgen Jakobs

Es gibt bekanntlich Krisengipfel, Wirtschaftsgipfel, Berggipfel - und nun auch einen "Satiregipfel". Das ist der Gipfel an politischem Kabarett, den die öffentlich-rechtliche ARD ihrem Publikum und den Parteien in ihren Gremien zumutet, und den nun auch Dieter Hildebrandt aushalten muss, der jahrzehntelange Gipfelkabarettist des Senderverbunds.

Matador Richling und mühte sich mit lachproletarischer Kraft um politisches Kabarett. (Foto: Foto: ddp)

Weil ihm gar nicht gefiel, in welche Richtung sein ernannter Nachfolger Mathias Richling vermutlich künftig kalauern will, hat er unter lautem öffentlichen Getöse dem Satireklassiker den Titel "Scheibenwischer" weggenommen, da Hildebrandt hieran Rechte hat.

So also hatte am Donnerstag der "Scheibenwischer" mit neuem Namen und Anstrich Premiere - als "Satire Gipfel". Um es gleich zu sagen: Matador Richling und seine Gäste mühten sich mit lachproletarischer Kraft um politisches Kabarett. Die Befürchtung des alten Gipfelkönigs Hildebrandt, hier breite eine bunte Truppe Comedy à la RTL auf dem geheiligten Sendeplatz aus, löste sich schnell auf. Eine ganz andere Frage ist, ob dieses politische Kabarett gelungen war. Vielleicht waren Frank Lüdecke, Matthias Seling, Philipp Weber und Ingolf Lück einfach in ihrem Drang übermotiviert, Angriffslust zu beweisen.

Jedenfalls bot diese Gipfelei den Höhepunkt erst zum Schluss, als Gastgeber Richling vor einem großen Bild des New Yorker Times Square mit ausgebreiteten Armen als Karl-Theodor zu Guttenberg erschien, mit gegeltem Haar und lila Einstecktuch, wie deus ex machina - und dann auch noch mit der Schlafwagenstimme des Michael Glos erzählte, er stelle sich wieder "wirtschaftspolitischen Fangfragen".

Das war Doppelherz, die Kraft der zwei Parodien, und als Parodist war Richling ja bekanntlich schon zu "Scheibenwischer"-Zeiten auf seinem persönlichen Gipfelniveau.

Die Metamorphose des Ministers

Dann wechselte der Mann leider die Stimme, klang nicht mehr wie Glos, aber auch nicht wie Guttenberg, der vielleicht noch nicht lange genug im Amt ist, um anständig imitiert zu werden. Jedenfalls riet die Kunstfigur an "opelster Stelle", Deutschland solle auch General Motors kaufen und noch etwas drauflegen, um Amerika gleich mitzuverstaatlichen. Das ist mal eine Antwort auf die systemische Frage! Zum Auftakt der Sendung hatte Richling noch gewitzelt, Michael Glos habe nicht einmal gewusst, dass er Wirtschaftsminister war.

Man kann wirklich nicht behaupten, dass es der Premierenfolge an Boshaftigkeit fehlte. Allein fehlte die Tiefenschärfe und Feinheit des politischen Witzes, der den "Scheibenwischer" zu besten Zeiten ausgezeichnet hatte, die Sendung jenes Mannes, den Richling jüngst als "SPD-Kabarettisten" tituliert hatte.

Rasch wechselten im neuen "Satire Gipfel" die erwartbaren, zu laut und zu krachend vorgetragenen Provokationen, Sketches of Pain, die davon lebten, auch wirklich nichts aussparen zu wollen: Taliban, islamistische Selbstmordattentäter, Abwrackprämie, Amokläufer, Banker und Mehdorn. Die ganze deprimierende Nachrichtenabfolge einer "Tagesschau" wurde als absurdes Horrorkabinett vorgeführt, eine Kammer des Schreckens, auf dass dem Bürger das Lachen auf den Lippen erstirbt.

"Gleichstellung von Frau und Vieh"

Das ging so in dem Stil, dass man bei einem Zwischenfall froh gewesen sei, dass es wirklich Terroristen waren und nicht irgendein "unzufriedener Bahnkunde". Da wurde, überaus ironisch, die Gleichstellung von "Frau und Vieh" gefordert, und dass jede Frau doch bitteschön "eine eigene Box im Stall" bekommen solle. Zum Wiehern!

Zu den Rechtsextremen ging es weiter in dem Stil, dass mancher NPDler seine SS-Tätowierung unter dem Unterhemd trage. Es war natürlich von "brauner Soße" die Rede. So originell können Kabarettisten sein, wenn sie den Gipfel der satirischen Möglichkeiten im Fernsehen erreicht haben. Die Post-"Scheibenwischer"-Combo war politisch so inkorrekt, dass es schon wieder extrem politisch korrekt war. Bei dieser Satireshow galt offenbar das Motto eines ambitionierten Nachwuchswettbewerbs: Jugend forscht!

Über allen Wipfeln aber schwebte Mathias Richling mit seiner roten Krawatte. Seine Von-und-zu-Guttenberg-Nummer war wirklich der einzige Höhepunkt des "Satire Gipfels". Und sein Spruch dazu war nicht ganz so platt wie die anderen Kalauer dieses Abends: "Adel vernichtet". Da hat vielleicht sogar Dieter Hildebrandt gelacht.

© sueddeutsche.de/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: