TV-Kritik: Public Viewing des GNT-Finales:"Da ist nur Leere"

Die Jury hat nicht die beste Bewerberin zu "Germany's Next Topmodel" gewählt, sondern ihren erklärten Liebling. Eine kleine Nachtkritik.

Ruth Schneeberger

Endlich mal eine Gelegenheit, sich einen Platz auf einer dieser begehrten schwarzen Ledercouches zu ergattern, dachten sich die Hardcore-Fans von "Germany's Next Topmodel" am Abend, und machten es sich im P1 bequem. Pro Sieben hatte zum Public Viewing des Finales der Möchtegern-Model-Show in Münchens Möchtegern-Model-Disco Nummer eins geladen, und nur die engsten Freunde kamen. Doch im P1 ist man eh gerne unter sich, und so machte es wenig, dass Wodka-Bull und Lachsbagels ohne großes Publikum genossen werden mussten. Da kamen wenigstens keine Prügel um reservierte Plätze auf - und einzelne Damen, die sich die Haare frisch im Stil der Model-Bewerberinnen haben schneiden lassen, konnten besser glänzen.

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Die Entscheidung zum Finale: Ungerecht oder gerechtfertigt?

(Foto: Screenshot: Pro Sieben)

Das Publikum war also in Form, frisch von der Couch gecastet zu werden, ein Bewerber aus dem Männer-Casting war auch dabei, und so hätte die Show munter starten können, wenn nicht die Trüffel-Pizza so schnell alle gewesen wäre und der Pizzabäcker EC-Karten angenommen hätte. Doch die meisten Gäste fanden ohnehin die eigenen Tageserlebnisse wichtiger als das Geschehen auf den Großleinwänden im Klub und auf der Terrasse, so dass nur die lauten Werbepausen zwischen der Show das stete Gemurmel störten. Konzentrieren wir uns also auf die Show.

Was ist dieser Sender doch für eine große Familie: Seal tritt auf, gleich zu Beginn der Show, und singt und hüpft - ganz in Weiß diesmal - den leider ziemlich weichgespülten Song "Amazing". Überraschend auch, was Jury-Mitglied und Model-Booker Peyman Amin rückblickend über die letzten drei Monate zu sagen hat, als Heidi Klum im lederähnlichen Minirock ihn fragt, was in der dritten Staffel neu gewesen sei. Erschöpfende Antwort: "Die dritte Staffel war wieder sehr anders."

Na gut, wir erinnern uns an Gina-Lisa, die gerade im Publikum zu sehen ist, und die die Haare inzwischen wieder schön hat dank zauberhafter weißblonder Extensions - die war nun wirklich anders. Sie darf zusammen mit ihrer Freundin Sarah in die Kamera röcheln, dass sie neben ihrer "total erfolgreichen" Internet-Sendung noch viele weitere große Projekte plane.

Und dann kommen die Finalistinnen: Jennifer, das Küken, diesmal auf Linda Evangelista gestylt. Als sie über den Laufsteg stakst, muss man anerkennen: Sie läuft nicht mehr so unmöglich wie am Anfang, aber besser wird's wohl nicht mehr werden. Christina hat ihren schüchternen Reh-Augenaufschlag gegen den Blick eines erschrockenen Schäfchens getauscht, stolpert ständig und wirkt auch sonst ein wenig von der Rolle. Nur Janina, die Frisörin, ist unverändert, nämlich unverändert gut.

Wenn es in dieser Show darum ginge, ein möglichst gutes Model mit perfekten Maßen und hübschem Äußeren zu finden, das sich schön bewegen, auf dem Catwalk prima verkaufen, Kunden überzeugen, Kleider an den Mann bringen und eine Marke bestmöglich repräsentieren kann, wenn es also darum ginge, die Beste unter den Bewerberinnen herauszufiltern, dann wäre die Sache schnell klar gewesen: Dann hätte Janina gewinnen müssen. Doch hier geht es offenbar um andere Dinge.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, wie die Drittplatzierte ausscheidet.

"Da ist nur Leere"

"Du hast dich am meisten verändert", war der jüngsten Kandidatin, Jennifer, in den vorangegangenen Shows stetig attestiert worden. Was durchaus als Lob zu begreifen sein sollte. Wir erinnern uns: Am Anfang fiel Jennifer eher durch mittelbraunes dünnes Haar, Knollennäschen, unfreiwillig herabhängende Mundwinkel, stockende Stimme und Schüchternheit bis zur Unterwürfigkeit auf denn durch modelähnliches Auftreten. Die Jury unterwarf sie einer Runderneuerung - heraus kam ein hellblond gefärbtes Riesen-Küken, das auch gerne mal einen zweiten und dritten Anlauf brauchte, bis der Fotograf ein brauchbares Bild bekam. Doch ähnlich wie an der Quotenzicke Giselle bis zuletzt festgehalten wurde, wurde auch diese Wackelkandidatin von Staffel zu Staffel weitergetragen und zum Liebling der Jury hochstilisiert - man fragte sich nur stets, warum. Weil eine 16-Jährige sich noch so hübsch formen lässt?

Kehren wir also zurück zur Show, um zu sehen, wie sich die Finalistinnen schlagen. Heidi betont gerade, das "Gesamtpaket" müsse stimme, bei der Finalistin müsse alles perfekt sein. Aha. Wir schöpfen Hoffnung.

Und sehen in den zahlreichen Rückblenden, wie vor allem Janina bei allen gestellten Aufgaben, und seien sie noch so unsinnig, eine gute Figur macht.

Diese Abschluss-Show muss ziemlich günstig für Pro Sieben sein, sie besteht zum großen Teil aus zusammengeschnittenem alten Filmmaterial. Als Gina-Lisas nackter Po auf dem Catwalk in Großaufnahme zu sehen ist, johlt ein Teil des männlichen P1-Publikums laut auf. Heidi Klum währenddessen als Moderatorin des Finales lobt einmal mehr Favoritin Jennifer: Nadja Auermann sei die längste Zeit das Model mit den längsten Beinen gewesen, nun sei es Jennifer, die in der Staffel nicht nur 17 Jahre alt, sondern auch einen Zentimeter größer geworden sei. Eine Zahl, was die Beinlänge angeht, wird aber nicht genannt.

Nach einem weiteren Auftritt von Mitgliedern aus der Pro-Sieben-Familie, der Popstars-Casting-Band Monrose, zu deren Endlos-Langeweile-Fahrstuhl-Musik namens "Strike the Match" die Finalistinnen in knallfarbenen Rokoko-Kleidern mit geschmacklosem Blick auf Busen und Schritt einmal mehr über den Laufsteg wackeln, darf Seal noch einmal singen - der war doch auch mal besser - und Gattin Heidi danach noch schnell zwei Küsschen verpassen, bevor sie ihn zurück auf die Bank schickt.

Bevor also nun die Entscheidung verkündet werden soll, welche von den dreien als Erste gehen muss, werden die Ärmsten noch hinter der Bühne von ihren Vorgängerinnen, den Siegerinnen aus Staffel eins und zwei, Lena Gercke und Barbara Meier, zu ihrem derzeitigen Zustand befragt: "Was geht dir durch den Kopf, Jenny?" "Eigentlich ist es nur Leere." Das war offenbar die richtige Antwort, denn bei der anschließenden Urteilsverkündung kommt Jennifer zusammen mit Janina in die Endrunde. Christina, die Ausgeschiedene, wirkt gefasster als ihre Model-Kolleginnen, fast froh, dem Zirkus endlich entflohen zu sein.

Lesen Sie weiter auf Seite 3, wie das Publikum auf die Entscheidung reagiert.

"Da ist nur Leere"

Nun ist die Sache also klar, sollte man meinen - dann kann ja nur noch Janina gewinnen. Als die 19 Finalistinnen noch einmal alle gemeinsam in exzentrischen Kostümen nach Reihenfolge der Ausscheidung über den Catwalk stöckeln, ist das erstens recht spaßig, weil einige noch immer nicht laufen gelernt haben, zweitens sieht es aus wie die Modenschau der Frisör-Innung aus dem Nachbardorf, und drittens meint man, dass dies eine Vorschau auf den Sieg Janinas sei - denn sie darf als Letzte einlaufen, ganz in Gold, nach der silbern gewandeten Jennifer.

Später, auf der Aftershowparty in Köln, wird Heidi Klum in die Pro-Sieben-Kameras sagen, dies sei der Moment gewesen, in dem Jennifer sie restlos überzeugt habe in ihren silbernen Hotpants, dass sie aufgrund ihres leicht arroganten Blickes, "der überhaupt nicht böse gemeint sei", auch auf internationalen Laufstegen ihren Weg machen werde. Wenn sich da mal nicht einer irrt.

"Mein Gott, die macht es aber spannend - das ist ja furchtbar!", ereifert sich eine betagtere Dame am P1-Nebentisch, die aussieht, als sei sie Janinas Großmutter - und stellt gleich klar, dass Christina und Jennifer ihre Favoritinnen seien.

Eine letzte Aufgabe haben die Finalistinnen nun noch zu bewältigen, und wieder ist es Janina, die glänzt, während sie beim sexy Fotoshooting im Abendkleid eine Riesenschlange auf der Schulter trägt, und sich noch sinnlich durchs Haar streicht, während das Tier sie anzüngelt. Jennifer dagegen hockt stolz, aber steif mit einer dicken Spinne auf Ihrer Schulter auf der Chaiselounge.

Das war ihr Todesstoß, hätte man meinen können - doch dann hätte man die Rechnung ohne Heidi Klum gemacht. In der ersten Staffel hat wenigstens noch die wirklich hübscheste Kandidatin gewinnen dürfen, in der zweiten war es die - damals trendgerecht - rothaarigste. Diesmal sollte es nun diejenige sein, die zwar aufgrund ihrer leichten Hüftsteife ziemlich ungeeignet wirkt, aber die Jury trotzdem irgendwie überzeugt hat. Womöglich schlicht aufgrund ihrer symphatischen Unbeholfenheit.

Als die Entscheidung verkündet wird und das Cover der Cosmopolitan die etwas linkisch wirkende Siegerin Jennifer Hof zeigt - sie kann wohl nichts dafür, sie wirkt nur meistens etwas verkrampft -, da ist es still im P1. Nur die Großmutter von Janina, beziehungsweise die Dame, die so aussieht, als müsse sie es dringend sein, wirft die Arme in die Luft und jubelt kurz - bis sie merkt, dass keiner mitklatscht.

Durch diese Entscheidung ist die Welt nicht schlechter geworden, aber ein kleines bisschen ungerechter. Nicht, dass eine solche Show von irgendeinem Belang wäre. Doch selbst im P1 mochte sich an diesem Abend keiner mehr so richtig freuen. Die GNT-Gäste machten sich flugs auf den Weg nach Hause - und machten Platz für tanzwillige Nachwuchs-Models, von denen vielleicht einige im nächsten Jahr über die Bühne von "Germany's Next Topmodel" gejagt werden. Ihnen sei ein heißer Tipp mit auf den langen Weg gegeben: Bloß nicht perfekt sein!

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