TV-Kritik: "Power of 10":Brisant wie ein Gemeindebrief

Mit Dirk Bachs Spielshow "Power of 10" wollte der Privatsender Vox den quotenschwachen Vorabend retten. Jetzt wird das erschreckend popelige Quiz schon wieder aus dem Programm genommen.

Eva-Maria Lindner

Fast ist es ein bisschen traurig. Traurig und makaber zugleich, wenn man einem Kugelfisch bei seinem Untergang zuschauen kann: Am Dienstagabend hat Dirk Bach noch mal nach Luft geschnappt, er wollte doch nur spielen, um eine Million Euro in seiner Show "Power of 10". Doch weil die Quote nicht stimmt, angelt Vox ihn nächste Woche komplett aus dem Programm und legt ihn erstmal trocken.

Weitere Folgen gibt es nicht, andere Projekte mit Bach auch nicht. Schließlich will man in diesen Zeiten nichts riskieren. Zeiten, in denen sogar der Zuschauermagnet "Das perfekte Dinner" schwächelt und die Privatsenderkollegen von ProSieben Sat 1 vor lauter katastrophalen Zahlen nervös das Top-Management umbauen.

Dabei sollte "Power of 10" richtig erfolgreich werden. Das aus den USA eingekaufte Format brachte dem Sender CBS im vergangenen Sommer Traumquoten, und auch in Russland und in Frankreich lief es gut. Hierzulande liefen dagegen nur die Zuschauer - und zwar davon. Also ist nach der achten Folge Schluss.

Doch woran hat's gelegen? Etwa an den Fragen mit der Brisanz eines Gemeindebriefes? An den Kandidaten, die allesamt "Spritzigkeit" im Fremdwörterlexikon nachschlagen würden? Oder an Moderator Bach, der wie immer aussah, als hätte er einen Gymnastikball verschluckt und so laut schrie, dass ihn sogar Zuschauer, die den Ton ausgeschalten hatten, noch hören mussten?

Es war wohl von allem etwas. Mit "nicht unbeträchtlichem Bauchgefühl" und einer rosafarbenen Krawatte stand Bach seinen zwei Kandidaten zur Seite. Die sollten einschätzen, wie viel Prozent der Deutschen zugeben, schon mal einen Popel unter den Tisch geschmiert zu haben: Niveau und Spaßfaktor halten sich schon gleich zu Beginn elegant die Waage.

Kandidatin Elena lag mit ihrem Tipp näher an den imposanten 18 Prozent, durfte bleiben und hatte die Möglichkeit, ihren Gewinn in fünf Schritten bis zu einer Million Euro zu verzehnfachen. Nächste Frage: "Wieviel Prozent der Deutschen glauben, Innenminister Wolfgang Schäuble hätte mehr Autorität, wenn er nicht im Rollstuhl sitzen würde?" Sogar Bach distanzierte sich von dieser geschmacklosen Frage.

Geholfen wurde Elena vom Publikum, indem es wild dazwischen rief wie bei einem Oprah Winfrey-Talk. Ihr Mann Daniel konnte Elena nicht sonderlich helfen, da er meistens "nicht so genau" Bescheid wusste. Am Ende hatte Elena trotz allem 10.000 Euro gewonnen. Und Bach freute sich "schon auf nächste Woche".

Auch RTL, der Muttersender von Vox, will mit einer Gameshow den quotenschwachen Vorabend retten. Dafür hat man mit "Einer gegen Hundert" nun ein Konzept aus dem Jahr 2002 ausgekramt. Damals wurde es von Linda de Mol moderiert, jetzt führt täglich Wolfram Kons durch das Quizduell. Er hat mit solchen Sendungen Erfahrung, kommentierte er schließlich schon den "Domino-Day".

Zweischwanzhunde und Keinohrhasen

In "Einer gegen Hundert" stellt Kons Fragen wie: "Til Schweiger ist Autor, Regisseur und Hauptdarsteller welches Films? Einbeinschweine, Zweischwanzhunde oder Keinohrhasen?" Im Stil von "Der Preis ist heiß" und "Jeopardy" spielt ein Kandidat gegen hundert Gegner, die sich aus "Wer wird Millionär"-Gewinnern, RTL-Moderatorinnen und Misswahl-Siegerinnen rekrutieren. Für jede falsche Antwort fliegt ein Gegner raus, und für den Kandidaten gibt's Geld.

Und so läuft es unberührt weiter, das On-Off-Karussell im Privatsenderzirkus: Wo RTL noch versucht, mit Altbewährtem den Nachmittag zu retten, hat Vox vielleicht schon bald wieder einen neuen Fisch an der Angel: Und der wird bestimmt "einfach zuzubereiten und superlecker" sein - mit dem Starkoch Tim Mälzer laufen Gespräche über eine neue Sendung.

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