TV-Kritik: Maischberger:75 Minuten Ohnmacht

Plattitüden, altbekannte Aufreger - und ein absurder Vorschlag: Wie Sandra Maischberger mit ihren Gästen am Problem Steuerhinterziehung vorbeidiskutierte.

Tobias Dorfer

Sandra Maischberger hätte es so einfach haben können: Nur einmal angenommen, sie hätte sich am Tag der Vereidigung des neuen US-Präsidenten in die mediale Obama-Mania eingereiht, ohne größeren Aufwand hätte sie 75 Minuten Sendezeit gefüllt: Bilder, Tränen, Emotionen, ein wenig Situationsanalyse, dazu eine Prise Rückblick - diese Mischung hätte die Zuschauer auch kurz vor Mitternacht noch vor die Bildschirme gebannt. Hätte.

Sandra Maischberger; dpa

Sie hätte es so einfach haben können - aber Sandra Maischberger entschied sich gegen Obama und zu 75 Minuten Ohnmacht.

(Foto: Foto: dpa)

Denn Sandra Maischberger wollte lieber über Steuerhinterzieher reden. "Kavaliersdelikt oder Schwerverbrechen", fragte die Moderatorin in ihre Runde und bezog sich dabei vor allem auf einen Fall, der von Donnerstag an unter dem Aktenzeichen 12 KLs 350 Js 1/08 am Landgericht Bochum verhandelt wird. Klaus Zumwinkel, ehemaliger Chef der Deutschen Post, soll knapp eine Million Euro am Fiskus vorbei nach Liechtenstein geschleust haben.

"Hohe kriminelle Energie"

Über den Fall Zumwinkel ist in den vergangenen Wochen und Monaten so ziemlich alles geschrieben worden. Entsprechend schwer tat sich die Runde um Sandra Maischberger, dem Thema einen neuen Spannungsbogen zu verleihen. Erhellendes kam dabei nicht ans Licht - eher ein ziemlich zähes Allerlei aus Anschuldigungen, vagen Mutmaßungen und Verständnis.

Der ehemalige Finanzminister Hans Eichel (SPD) diagnostizierte im TV-Studio bei Zumwinkel eine "hohe kriminelle Energie", während der Steuerberater Georg Wengert die Berater des ehemaligen Post-Chefs in der Verantwortung sah und dem Beschuldigten allenfalls eine "Dummheit" attestierte - verbunden mit der Bemerkung, dass der Ex-Manager regelrecht "an den Pranger gestellt" wurde.

Ob Zumwinkel ins Gefängnis wandert, ist allerdings mehr als fraglich. Grundsätzlich lässt die Rechtslage in Deutschland das zu. Beobachter wie der SZ-Journalist Hans Leyendecker gehen jedoch von einem Deal zwischen Zumwinkels Anwälten und der Justiz aus, die dem Ex-Manager den Knast erspart. "Milde gegen Reue und Geständnis", sagte Leyendecker in einem Einspielfilm.

Milde nach dem Steuerschwindel

Spätestens da war es präsent: Das häufig gezeichnete Bild von einer gierigen Elite, die genug Geld hat, um Wege zu finden, Vermögen dem Fiskus vorzuenthalten. Und die, falls sie beim Steuerschwindel ertappt wird, dann sogar mit Milde rechnen kann, weil die Steuerfahndung chronisch überlastet ist und gar nicht die Möglichkeit hat, alle Beweise zusammenzutragen. Auf der anderen Seite steht die große Mehrheit, die ihre Steuern zahlt und jeden Fehler im Umgang mit dem Fiskus teuer zahlen muss - so wie Bärbel Wille.

Die Bäckersfrau aus Hannover geriet, zusammen mit ihrem Mann, in Verdacht, Steuern hinterzogen zu haben. Obwohl sie offenkundig unschuldig war, ließ sich Wille - um das Drama zu beenden - auf eine sogenannte tatsächliche Verständigung ein und zahlte Geld nach, das dem Finanzamt eigentlich gar nicht zustand. Die Folge: Die Bäckerei schlitterte in die Insolvenz. Die bezahlte Summe sah Wille auch dann nicht wieder, als ihre Unschuld bewiesen war.

Die Geschichte von Bärbel Wille erzählt von der Ohnmacht einer Unschuldigen und möglicherweise auch von Beamtenwillkür - die Motive eines Steuerflüchtlings erklärt sie jedoch genauso wenig wie Möglichkeiten, ein kompliziertes System zu reformieren. Zugegeben: Im deutschen Fernsehen über Steuern zu reden, ist eine ziemlich undankbare Aufgabe. Die Materie ist trocken, kompliziert obendrein - nicht unbedingt das, womit man sich kurz vor dem Schlafen noch gerne beschäftigt.

Auch deshalb blieb Sandra Maischberger gar nichts anderes übrig, als auf Plattitüden und altbekannte Aufreger zu setzen. Wie den stets überlegen lächelnden ehemaligen Welt-Chefredakteur Roger Köppel, der die Vorzüge des Schweizer Steuersystems pries und überhaupt nicht einsehen wollte, warum ein deutscher Politiker mit der Verschwiegenheit der eidgenössischen Banken ein Problem haben könnte.

Und dann war da noch der Vorstoß des schwäbischen Steuerberaters Wengert. Seine Forderung, die Steuermoral der Oberschicht mit der Auszeichnung "Deutschlands bester Steuerzahler" zu würdigen, sorgte für große Erheiterung.

Nur: Herr Wengert hat es ernst gemeint.

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