TV-Kritik: 25 Jahre 3sat:Verirrte und Verwirrte

Zum 25. Jubiläum leistet sich 3sat eine Gala mit Live-Kabarett-Einlage. Eine gute Gelegenheit, über die Branche herzuziehen. Eine kleine Nachtkritik.

Ruth Schneeberger

Geht es in diesen Tagen in Deutschland um Fernsehsender, ist viel Aufregung im Spiel, die oft in Empörung umschlägt. Ein Chefredakteur wird von der Politik aus dem Amt gedrängt, die Privaten überbieten sich mit Trash-TV, und das Öffentlich-Rechtliche bewältigt Qualitätsdebatten. Spätestens seit der Wutrede von Marcel Reich-Ranicki vor mehr als einem Jahr sind sich alle einig: Das Fernsehen ist nicht mehr, was es mal war.

TV-Kritik: 25 Jahre 3sat: 3sat wurde 25: Georg Schramm führte als Moderator durch das Kabarett-Programm "Dreiländerspitzen"

3sat wurde 25: Georg Schramm führte als Moderator durch das Kabarett-Programm "Dreiländerspitzen"

(Foto: Foto: dpa)

3sat ist wer

Da trifft es sich gut, dass ein kleiner Sender der großen allgemeinen Verunsicherung trotzt und sich traut, stolz zu verkünden: Wir sind inzwischen wer. 3sat wird 25 Jahre alt und feiert den Geburtstag mit einer Gala im Berliner "Tipi"-Zelt - nur einen Steinwurf vom Kanzleramt entfernt.

"Das ist aber bitte nicht als Aufforderung zu verstehen", leitet Georg Schramm als Moderator schelmisch das live übertragene Kabarett-Programm "Dreiländerspitzen" am Dienstagabend ein.

Stichwort des Abends: Demokratie

Es wäre kein echter Kabarett-Abend, wenn die Gastgeber sich nicht mindestens einmal über jeden eingeladenen Kabarettisten ärgern müssten, weil die Laudatoren so gar nicht in Jubellaune waren, sondern ihrer professionsbedingten Krawallstimmung Ausdruck verliehen, auch gegenüber dem Sender selbst. Schramm macht standesgemäß den Anfang: "Da ist ein Markenname etabliert: 3sat ist die Heimstatt für die Verwirrten und Verirrten abends vor dem Fernseher."

Das gelte auch für die Kabarettisten - ein jeder von ihnen sei im Übrigen schon von 3sat und seinem Kulturprogramm gefördert worden: Mathias Richling, Schramm selbst, der Österreicher Alfred Dorfer, der Schweizer Andreas Thiel und der niederländische Musik-Comedian Hans Liberg.

Aus irgendeinem Grunde ist man damit auch schon beim Stichwort des Abends angelangt: Demokratie. Liberg besingt sie in seinem so sympathischen wie nonsenshaften Auftritt, und auch die Kollegen kommen mindestens einmal auf sie zu sprechen, wenn nicht gar in Verbindung mit 3sat, wobei niemals klar wird, was nun genau der Sender mit unserer politischen Grundordnung zu tun hat.

Ein Publikum voller B-Prominenz

3sat wurde 1984 gegründet und unterliegt seitdem kaum einem Quotendruck. Von vier Sendern aus drei Ländern betrieben, kamen anfangs nur 8000 Haushalte in den Genuss des Gemeinschaftsprogramms - inzwischen können 40 Millionen Haushalte in Deutschland, Österreich und der Schweiz den Sender empfangen. Der Marktanteil liegt bei 1,9 Prozent, weit abseits der üblichen marktschreierischen Senderkonkurrenz; vor allem Kultur- und Wissenschaftsthemen sind populär.

Das Programm richte sich "nicht an die Masse, sondern an eine kleine, aber konstante Zielgruppe besonders Interessierter", sagt ORF-Sprecher Pius Strobel. Und obwohl 3sat, das vor allem in Österreich gesehen wird, im Jahr 2008 auf seinem Quoten-Gipfel angekommen ist, muss der Sender in Zukunft wohl mit weniger Geld auskommen: Pünktlich zum Jubiläum wurde bekannt, dass der Etat von Seiten des ZDF bis 2012 rund 74,4 Millionen Euro bekommt. Ursprünglich waren 98,8 Millionen Euro eingeplant.

Das alles tat der kabarettistischen Leistungsshow an diesem Abend keinen Abbruch, stachelte sie aber auch nicht zu Höchstleistungen an. Schramm bezeichnete die "handverlesenen" Gala-Gäste im Publikum als B- und C-Prominenz, was ihm persönlich recht sei, weil er von der Zweitklassigkeit dieses Abends profitiere: "Es gibt keine ZDF-Redaktion, die mir eine Primetime-Gala in die Hand drücken würde - aber 3sat macht's möglich."

Lesen Sie weiter, warum für Roland Koch die anderen die Kellner sind.

Aus der Vergangenheit nichts gelernt

Überhaupt, das ZDF: Es sei daran zu erinnern, dass Intendant Markus Schächter kürzlich in New York den Emmy-Award erhalten habe. "Preisgekrönt, aber angeschossen durch Roland Koch, dem Sie sich in den Weg gestellt haben bei der Abservierung ihres Chefredakteurs - Respekt!", lobte Schramm. "Aber haben Sie nicht gemerkt, dass einen Koch das überhaupt nicht interessiert? Der ist der Koch - die anderen sind die Kellner!" ZDF-Chefredakteur Brender habe es offenbar an der Demut des Kellners vermissen lassen.

Jungs Rücktritt: Vier Jahre zu spät

Und einmal mehr betonte Schramm, dass auch der ehemalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung sich einst als Kellner für Koch erwiesen habe, als er sich in der CDU-Spendenaffäre für ihn geopfert habe. Insofern sei dessen Rücktritt "vier Jahre zu spät" gekommen. "So jemand hätte nie Minister werden dürfen." Dass der Kabarettist im Eifer des Gefechts schon mal Brender mit dessen Vorgänger Klaus Bresser verwechselte, fiel da gar nicht so auf.

Immerhin befragte er den Schweizer Kollegen Andreas Thiel gleich nach einem aktuellen Thema, dem Minarett-Verbot in dessen Heimat. Weil der aber nur ausweichend-kryptisch antwortete, dass es einfacher sei, zu Ostern Eier zu suchen als Frauen zu verstecken, verzichtete Schramm auf weitere Nachfragen und ließ Thiel lieber davon berichten, wie brutal sich das Deutsche gegenüber dem Schweizerischen anhöre, und warum es deshalb kabarett-tauglicher sei.

Herzlichen Glückwunsch, 3sat!

Auch der österreichische Kabarettist Alfred Dorfer konnte nicht umhin, sich zu freuen, dass mit ihm nun wieder ein Österreicher käme, um den Deutschen zu sagen, was zu tun sei.

Der sonst so fidele Mathias Richling blieb an diesem Abend seltsam schwach auf der Brust, verfing sich in Nichtigkeiten, und selbst seine berühmten Parodien, etwa als Franz Müntefering, liefen ins Leere.

Da war es einmal mehr an Schramm, den Abend zu retten, indem er zum Schluss noch die Titanic auffuhr: Dort hätten die Superreichen in der Ersten Klasse nicht einmal die Betriebskosten gedeckt, für den Luxus "da oben" aufgekommen seien die ärmeren Schiffsgäste in den unteren Klassen. Insofern sei die Titanic zu Recht untergegangen - ihn wundere nur, dass wir aus der Vergangenheit nichts gelernt hätten.

Und damit war man dann doch irgendwie wieder bei 3sat, dem Spartenpublikum, den besonders Interessierten und dem Ausschluss der Öffentlichkeit angelangt. Was auch immer das bedeuten mag: Herzlichen Glückwunsch, 3sat!

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