TV-Kritik: "Hart aber fair":Pfuscher in Weiß

Medizinischer Rundumschlag: Frank Plasberg ließ in der ARD über Ärztepfusch und die vermurkste Honorarreform diskutieren. Gesundheitspolitiker Lauterbach war sein Prügelknabe.

Lilith Volkert

Wahrscheinlich war es nur der Kunstfehler eines übermüdeten Programmplaners. Die Götter in Weiß bringen doch immer eine ganz ordentliche Quote, mag sich ein Verantwortlicher in der ARD gedacht haben - vielleicht funktioniert das ja auch, wenn man Ärzte dem Publikum statt im üblichen Serienformat in trockener Studioatmosphäre verabreicht.

TV-Kritik: "Hart aber fair": Frak Plasberg

Frak Plasberg

(Foto: Foto: dpa)

Zehn Tage nach seiner Kollegin Anne Will nahm auch Frank Plasberg die Honorarreform zum Anlass, in seiner Talkshow "Hart aber fair" über die Hybris der deutschen Ärzte zu diskutieren: "Erstklassig kassieren, zweitklassig kurieren - wer stoppt Dr. Maßlos?" Doch provokant an Plasbergs Sendung war allein der Titel.

Mit dem Porsche zur Protestaktion

Denn die Fragen sind nicht neu, die Antworten sind es ebenso wenig. Sind die Ärzte wirklich so arm dran, dass sie schon wieder demonstrieren und ihre Praxen schließen müssen - oder ist das nur Jammern auf hohem Niveau? Zu einer Protestaktion in Stuttgart - Thema: "Uns geht's ans Eingemachte" - kamen viele Mediziner mit Mercedes, BMW oder Porsche.

"Es gibt wirklich Ärzte, denen es schlecht geht", verteidigt Arno Theilmeier, niedergelassener Internist, seine Kollegen. "Ein Hausarzt, der sich vor allem um die Regelversorgung kümmert und wenig Privatpatienten hat, bekommt oft nur 20 bis 30 Euro pro Patient und Quartal."

Daran ändert auch die Honorarreform nichts - seit Anfang des Jahres wird nach einem neuen Punktesystem abgerechnet. Dass diese Reform totaler Murks ist, darüber sind sich die meisten Gäste bei Plasberg einig. Und obwohl sie selbst oder ihre Interessensvertreter den Kompromiss mit ausgehandelt haben, will es jetzt keiner gewesen sein. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach nicht, der Internist Arno Theilmeier nicht und am wenigsten Theodor Windhorst, Chefarzt einer Klinik und Mitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.

Den Ärzte stehen durch die Reform insgesamt 3,5 Milliarden Euro mehr zur Verfügung - es geht nur darum, wie das Geld verteilt werden. "Dieser Verteilungskampf darf nicht auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werden," findet Jörg F. Heynemann, Fachanwalt für Medizinrecht. Ein frommer Wunsch.

Angst vor dem neuen System

Denn dass die Verteilung der Gelder erst im Juni stattfindet und bis dahin noch keiner weiß, ob er wirklich benachteiligt sein wird, stört die Ärzte nicht: Auch im Voraus lässt sich gut protestieren. "Viele haben einfach Angst, in dem neuem System unterzugehen", rechtfertigt Chefarzt Windhorst die Aktionen.

Weiter geht's beim Rundumschlag gegen die Ärzte und Gesundheitssystem: Immer öfter wird inzwischen vor der Behandlung von den Patienten Bargeld verlagt, auch wenn das illegal ist. Das Interesse der Mediziner an Fortbildungen ist katastrophal niedrig, weiß Moderator Frank Plasberg, und das Gesundheitssystem entwickele sich immer mehr zur ungerechten Zweiklassenmedizin.

Überforderte Doktoren

Viele Ärzte scheinen überfordert zu sein. Der Vater der Schauspielerin Caroline Beil, die mitdiskutierte, wurde von seinem Hausarzt monatelang auf Bronchitis behandelt - später starb er an Lungenkrebs.

Siegfried K. Schulte, selbst Arzt, wurde bei einer Nierentransplantation mit einem Organanwärter gleichen Nachnamens verwechselt. Da noch nicht mal die Blutgruppe übereinstimmte, stieß sein Körper das Organ sofort ab. "Als ich aus der Narkose aufwachte, sollte ich als erstes versprechen, nichts davon zu erzählen," erzählt Schulte. Er wartet noch heute auf eine neue Niere.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie die Runde schließlich einen Schuldigen in ihren Reihen fand.

Alle gegen Karl Lauterbach

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt bei Operationen mit Narkose übrigens, einen von ihr entwickelten Fragebogen zu benutzen: Wie heißt der Patient, der auf dem OP-Tisch liegt? Welches Körperteil soll behandelt werden? Und ist nach der Operation noch die gleiche Anzahl von Tupfern, Messern und Nadeln vorhanden? In Kliniken, die die Checkliste verwenden, sank die Fehlerquote deutlich.

TV-Kritik: "Hart aber fair": Stellte vor kurzem sein neues Buch vor: Karl Lauterbach, der Gesundheitsexperte der SPD.

Stellte vor kurzem sein neues Buch vor: Karl Lauterbach, der Gesundheitsexperte der SPD.

(Foto: Foto: dpa)

Wem das Angst macht, der bekommt im TV-Talk noch schnell ein paar Tipps im Umgang mit Ärzten an die Hand: Lassen Sie sich von ihrem Arzt weder abspeisen noch blenden! Legen Sie sich bloß nicht unter jedes Messer! Das rät Gregor Bornes von der Unabhängigen Patientenberatung mit besorgter Miene.

Bevor die Luft ganz raus und die Sendung zu Ende ist, einigt sich die Runde schließlich darauf, dem einzigen Politiker in der Runde Saures zu geben. Hat der Sozialdemokrat Karl Lauterbach in seinem Buch "Gesund im kranken System" vielleicht Studien verglichen, die aus unterschiedlichen Jahren stammen? Wie kann er die Qualität medizinischer Versorgung kritisieren, wenn er zwar Medizin studiert, aber nie als Arzt praktiziert hat?

Als geschmacklosen Abschluss lässt Frank Plasberg in einem Einspielfilm eine lebensgroße Pappfigur des Gesundheitspolitikers bei einem Psychologen auf die Couch legen. "Herr Lauterbach ist in seiner ärztlichen Selbstachtung gekränkt, er sollte lernen, sich selbst mehr zu lieben," befindet dieser.

Sorry, Herr Plasberg: Als Kunstfehler geht so etwas nicht mehr durch.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: