TV-Kritik: "Giulia in Love?!":Einen Mann könnte sie auffressen

Komponisten-Tochter Giulia Siegel castet ihren Traummann. Doch im Angesicht der Angebeteten verlieren die Machos nicht nur ihre Männlichkeit. Eine Nachtkritik.

Johanna Bruckner

Was tun, wenn die sendereigene Quotenqueen zur Abwechslung mal wieder mit dem eigenen Nachwuchs statt Deutschlands nächstem Topmodel schwanger geht? Wen oder was könnte man casten, um an den Erfolg von Heidi Klums Modelmaschinerie anzuknüpfen? Die Verzweiflung im Hause Pro Sieben scheint angesichts der gähnenden Sommerlochleere so groß, dass man jüngst auch mal gerne in Konkurrenzgefilden wildert.

Giulia Siegel, dpa

Aus über 800 Bewerbern hat Giulia Siegel 60 potentielle Traummänner mit Hang zum Pascha für ihre Sendung ausgewählt.

(Foto: Foto: dpa)

Bislang verkuppelte vor allem RTL von Mamasöhnchen, über alleinerziehende Mütter - und natürlich Bauern - alles, was nicht bei drei in den Scheunen war. Nun geht auch Pro Sieben unter die Partnervermittler: Doch wer bei "Giulia in Love?!" Rosen, Romantik oder gar große Gefühle erwartet, der irrt.

Ausgeprägtes Ich-Tarzan-du-Jane-Rollenverständnis

Dies liegt vor allem an der Protagonistin Giulia Siegel, ihres Zeichens DJane, Model, Schauspielerin, B-Prominente - und vor allem Tochter des Komponisten Ralph Siegel. Die stellt von vorneherein klar, dass ihr nur ein "richtiger Mann" ins Haus kommt, der sich zwar gerne als Pascha gebärden, nicht aber die Küche betreten darf.

Siegel, bereits einmal verheiratet, kurzfristig mit Tennisprofi Tommy Haas liiert und Mutter von drei Kindern, hat aus dem RTL-"Dschungelcamp" augenscheinlich nicht nur ihren Ruf als Zicke mitgebracht, sondern auch ein ausgeprägtes Ich-Tarzan-du-Jane-Rollenverständnis.

Bei der Suche nach dem Mann fürs Leben verlässt sich Fräulein Siegel allerdings nicht allein auf ihr eigenes Machometer: Unterstützung bekommt sie zum einen von ihrer "besten Freundin" Rebecca - die beiden kennen sich beeindruckende zwei Jahre. Zum anderen darf auch ihr "bester Freund" männertechnisch mitentscheiden. Zufälliger- und praktischerweise ist das wiederum Hochzeitsplaner Frank Matthée. Ein gutes Omen will man meinen, wo der doch schon die TV-Hochzeit von Sarah Connor und Marc Terenzi ausgerichtet hat.

"Den hätte ich zum Abendessen aufgefressen"

60 Kandidaten, die Siegel aus insgesamt mehr als 800 Bewerbern ausgewählt hat, nehmen die drei in München dann persönlich in Augenschein: Das Casting hat weniger Gehalt als Speed-Dating und ist ungefähr so gefühlvoll wie Heidi Klums "Ich habe heute leider kein Foto für dich".

Einzig bei Viktor, einem ungarischen Freiherrn, der Selbsterdichtetes rezitiert und ein Rüschenhemd trägt, wird es kurzzeitig romantisch. "Den hätte ich zum Abendessen aufgefressen", begründet Giulia die Verabschiedung des Werbers.

Lesen Sie auf der nächsten Seite mehr über die Kandidaten und ihre seltsamen Offenbarungen.

Seelische Abgründe und nackte Tatsachen

So sehr sie versucht, sich auf das Image des unterwürfigen Weibchens zurückzuziehen, die holde Giulia umgibt unleugbar eine gewisse Gottesanbeterinnen-Aura. Von Angesicht zu Angesicht mit ihrer Traumfrau scheinen einige der Männer dann auch wie erstarrt und zu keinem klaren Gedanken mehr fähig: Benjamin stammelt beim Vier-Augen-Gespräch nur noch: "Tisch, Kerzen, romantisch, sehr nahe".

Giulia Siegel, ddp

Vom Dschungelcamp zur Datingshow: Giulia Siegel nutzt jede Bühne zur Selbstinszenierung.

(Foto: Foto: ddp)

Peter antwortet auf die Frage, ob er beim Sex denn auch so lustig sei wie im Gespräch: "Wenn ich nur die Hälfte der Gene meines Vaters hätte, säße ich irgendwann als Triebtäter im Knast." Kandidat Maik entblößt zwar keine seelischen Abgründe - dafür aber ohne Aufforderung seine Genitalien.

Trost für enttäuschte Romantiker

Das vermeintliche Liebesspektakel mutet zeitweise so skurril an wie die diversen TV-Brautschauen von abgehalfterten US-Musikstars auf MTV - allerdings sind die selbst mit Untertiteln noch unterhaltsamer. Bei keinem der Kandidaten kann man sich vorstellen, dass er irgendwann auch nur den Aufzug zu Giulia Siegels Münchner Plattenbau-Penthouse betreten darf. Was also soll das Ganze?

Für die Namensgeberin liegt der Mehrwert des Formats auf der Hand: Giulia Siegel bietet sich einmal mehr eine Bühne zur Selbstinszenierung, Essenz ihrer Prominenz. Und Pro Sieben wird vermutlich auch glücklich sein.

Enttäuschte Romantiker seien vertröstet: Demnächst startet auch Sat.1, der Sender, bei dem nur die Liebe zählt, eine Promi-Partnerbörse - als "Traumfrau" im Angebot ist dort unter anderem die scharfzüngige Kabarettistin Desirée Nick.

Das kann ja heiter werden.

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