TV-Kritik: 4000. Folge von "GZSZ":Diese armen Menschen

Klonkrieger, lesbische Liebe und ein Todesfall: Die groß angekündigte Schicksalswoche von "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" hat begonnen. Wie fühlt sich die 4000. Folge der Daily Soap an?

Sarah Ehrmann

Zwei Mädchen sitzen am Tisch, trinken Rotwein: Die eine steht auf, die Küche explodiert. Franzi heißt das Mädchen, das gerade den Raum verließ. Nun liegt sie leblos in der Flammenhölle, weiße Adidas-Schuhe an den Füßen. Die Freundin brüllt panisch.

TV-Kritik: 4000. Folge von "GZSZ": Da fehlt doch noch eine - richtig: die Null.

Da fehlt doch noch eine - richtig: die Null.

(Foto: Foto: RTL)

So dramatisch beginnt also die 4000. Folge von "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" (GZSZ), welche die Schicksalswoche der Daily Soap eingeleitet hat, wie RTL seit Tagen nicht müde wird, anzukündigen. Auch nach 16 Jahren liegt GZSZ unangefochten an der Spitze der deutschen Soaplandschaft. Dabei war die Seifenoper dereinst als Experiment gedacht, als sie im Mai 1992 zum ersten Mal im von Lindenstraßen-Charme geprägten deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde.

Seither ist viel Zeit vergangen. Von den ursprünglichen Charakteren sind, wie der unbedarfte, weil bisher von GZSZ-Folgen weitgehend verschont gebliebene Zuschauer sich angelesen hat, gerade mal vier heute noch dabei: Elisabeth und Daniel, das Gutmenschen-Ehepaar, Clemens, der ewig weißhaarige und Dr. Jo Gerner, der Serienfiesling. Doch dazu kommen wir später.

Diese armen, gebeutelten Menschen

2 Minuten, 13 Sekunden, Szenenwechsel: Die offenbar böse Gabi Flemming - oder heißt sie Katrin?, so klar ist das dem Zuschauer momentan noch nicht - kommt nach Hause und herrscht die Babysitterin Jasmin an, warum diese sich mit der "schweineteuren Decke" zugedeckt habe. Wie nebenbei erkundigt sie sich nach einem Boxer Leon, der als Alkoholiker in die Psychiatrie eingewiesen worden sei ...

Was dem ehemaligen Koch wohl in den vergangenen Jahren alles zugestoßen sein mag? Derart vielfältige Schicksalsschläge, wie sie die Serien-Charaktere im Lauf ihres allabendlich ausgestrahlten Lebens ertragen müssen, hätten einen Durchschnittsbürger wohl ebenfalls längst in die psychiatrische Anstalt gebracht:

Todesfälle, verschwundene und wieder aufgetauchte Geschwister, Intrigen, versaute Prüfungen, Krankheiten, Unfälle, Überfälle und was den Drehbuchautoren sonst noch so einfällt - die meisten Zuschauer kennen wohl das Gefühl, sich nach extensivem Serienschauen heimlich dabei ertappt zu haben, dass das eigene, langweilige Leben so unangenehm doch gar nicht ist.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, wer mit "GZSZ" Karriere gemacht hat.

Diese armen Menschen

Gut und Böse

5 Minuten 22 Sekunden: Dr. Jo Gerner sitzt vor einem arabischen Schnellimbiss. Gerner ist der einzige, den ich in dieser Folge, nach mindestens zehn Jahre zurückliegenden gelegentlichen Ausflügen in die Scheinwelt der Daily-Soap, wiedererkenne. Inzwischen kann das GZSZ-Urgestein sein 15-jähriges Serienjubiläum feiern. Ob Gerner mit dem schiefen Lächeln immer noch so gemein ist wie damals? Denn das ist ja das Verführerische an dieser Art von Serien, dass Gut und Böse so deutlich umrissen sind.

Geschickt nebeneinander her laufende Haupt- und Nebenhandlungen, die sich schließlich miteinander verknüpfen, sind eine raffinierte Technik, ungeübte Zuschauer in die Serie hinein zu ziehen. Es handelt sich um ein ständiges "Warm-Up", die Charaktere werden erst vorgestellt, ihre Beziehungen zueinander erst nach und nach klar.

Platz für ein neues Gesicht?

Zurück zum Schauplatz des Geschehens, 10 Minuten 55: Drei über Handy alarmierte Freunde, Paula und zwei Jungs, eilen zur Unglücksstelle, dem Restaurant Fasan. Paula - man könnte den Akt als todesmutig oder lebensmüde bezeichnen - macht sich durch die Hintertür auf die Suche nach Franzi.

11 Minuten 50, Showdown: Beleuchtet von den rotierenden Blaulichtern ihrer Löschfahrzeuge, jagen Feuerwehrmänner mit erschrockenen Gesichtern um das Gebäude. Rollen eiligst Feuerwehrschläuche aus, während Sanitäter mit Rettungsliege in Richtung Hinterausgang traben. Wie ein Tross Klonkrieger marschieren die Feuerwehrleute hintereinander mit Taschenlampen bewaffnet ins Restaurant.

Im Feuerschein der brennenden Küchenbalken, umringt von Bratpfannen und Nudelsieben, gesteht Paula der inzwischen ohnmächtig aufgefundenen Franzi ihre Liebe - und diese öffnet mehr oder weniger überraschend die Augen. Wird der Tod das junge Glück zerstören? Rückt dann wieder ein neues Gesicht nach, um Teil der Handlung in den Filmstudios Babelsberg zu werden?

Doch ein Karriere-Sprungbrett

Dass einem beim ersten Zuschauen von GZSZ keiner der Schauspieler bekannt vorkommt, gehört nämlich ebenfalls zum Prinzip der Daily Soap. Junge gut aussehende Menschen, meist ohne Schauspielausbildung, macht die Serie zu ihren Stars. Und wird dadurch zur begehrten Talentschmiede für angehende Schauspieler. Auch Ex-Topmodel-Anwärterin Wanda erklärte vergangene Woche bei Stefan Raabs "TV Total", als ersten Schritt ihrer Filmkarriere visiere sie eine Daily Soap an. GZSZ? "Fände ich nicht schlecht", sagte sie.

Eine Seifenoper als Karrieresprungbrett nutzten schließlich bereits Til Schweiger als Jo Zenker in der Lindenstraße oder Yvonne Catterfeld, die wahrscheinlich in naher Zukunft Romy Schneider spielen wird, nachdem sie durch "GZSZ" bekannt wurde und danach als Sängerin von sich reden machte - ähnlich wie Jeanette Biedermann, die als rotzfrecher Teenager bei GZSZ begann und nach dem Serienausstieg ebenfalls eine Sangeskarriere startete, deren bisheriger Höhepunkt ein Duett mit dem ehemaligen "Boyzone"-Sänger Ronan Keating war. Oder Alexandra Neldel, die 1999 ebenfalls aus dieser Serie ausstieg, sich für den Playboy fotografieren ließ, als Lisa Plenske in "Verliebt in Berlin" ihren ehemaligen Arbeitgeber fast vom Quotenthron gestoßen hätte und momentan als Rechtsanwältin in der Serie "Unschuldig" auf Pro 7 Justizirrtümer aufdeckt - recht erfolgreich, versteht sich. Oder Sänger und Moderator Oliver "Oli P." Petszokat, ehemals Serien-Krimineller.... die Liste ist lang.

19 Minuten 05: Paula und Franzi werden leblos aus dem Haus getragen. Vor dem Haus beginnen die Wiederbelebungsversuche mit Elektroschocks. Die letzte Einstellung zeigt Franzis Auge, das sich langsam schließt.

Cliffhanger. Ein neuer Serientag wartet. Und morgen schalte ich wieder ein. Ehrlich.

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