Türkisches Kino:"Wir haben unseren Rambo gefunden"

"Tal der Wölfe - Irak" ist krude antiamerikanische Propaganda, die die Antisemiten gleich mitbedient. Der Film wäre völlig lächerlich - hätte man nicht die Stimmen der türkischen Politiker im Ohr, die hell begeistert aus dem Kino kamen.

Kai Strittmatter

So sind sie, die amerikanischen Soldaten. Überfallen eine irakische Hochzeit und erschießen einen Jungen vor seiner Mutter. Legen den Bräutigam um. Sprengen Minarette und Häuser, in die sich Kindern und Frauen geflüchtet haben. Schlachten wehrlose Gefangene zu Dutzenden ab.

Türkisches Kino: "Tal der Wölfe - Irak" - der teuerste Film, der in der Türkei je produziert wurde.

"Tal der Wölfe - Irak" - der teuerste Film, der in der Türkei je produziert wurde.

(Foto: Quelle: maxximumfilm.com)

Die Überlebenden schleppen sie ins Abu-Ghraib-Gefängnis, wo sie sie foltern oder mit Hilfe eines jüdischen Doktors in einer geheimen Organfabrik ausschlachten. Böse sind sie, dumm dazu - und das wird ihnen zum Verhängnis.

Denn jetzt kommt Polat. Und er wird sie rächen. Er wird die Amerikaner zur Strecke bringen. "Wir haben unseren Rambo gefunden", freut sich die Zeitung Vatan.

Polat wird umjubelt wie kein anderer in der Türkei, nur wenige Tage, nachdem sein Film "Tal der Wölfe -Irak"angelaufen ist. Polat nämlich wird die türkische Ehre wiederherstellen. Aber eigentlich hat er das schon.

"Tal der Wölfe -Irak", der am heutigen Donnerstag auch in Deutschland startet, ist der teuerste Film, der je in der Türkei produziert wurde. Zehn Millionen Dollar hat er gekostet.

Und er soll mindestens fünf Millionen Menschen in die Kinos bringen, auch das wäre Rekord. Er ist auf dem besten Weg dazu. Die Leute stürmen ins Kino, in manchen Multiplex-Kinos läuft er in der Hälfte aller Säle.

Ein antiamerikanischer Reißer, der den Nerv der Zeit trifft. In diesem Land war noch vor nicht langer Zeit der Roman "Metallsturm" der Bestseller: Darin planen die USA, die Türkei zu besetzen, woraufhin ein türkischer Agent in Washington eine Atombombe zündet.

Der Film von Regisseur Serdar Akar hat einen wahren Vorfall zum Ausgangspunkt. Am 4. Jul 2003 nahmen US-Truppen im Nordirak elf türkische Agenten fest und stülpten ihnen beim Abtransport Kapuzen über den Kopf - die Bilder haben sich bis heute im kollektiven Gedächtnis der Türkei eingebrannt.

Die Schmach sühnen

Im Film schreibt einer der damals festgenommenen Offiziere einen Brief an seinen Freund Polat Alemdar, in dem er ihn bittet, die Schmach zu sühnen, bevor er die Fahne küsst und sich eine Kugel durch den Kopf jagt.

Dieser Polat Alemdar, den alle "Polat" nennen, ist kein Unbekannter; der Kinofilm ist die Verlängerung der populärsten Fernsehserie der Türkei: "Tal der Wölfe".

Polat spielt darin einen Mann, der die Mafia unterwandert und zu Fall bringt. In der Serie wird angedeutet, dass Polat ein Mann des "tiefen Staates" ist, jenes legendären Staates im Staate, wo sich Nationalisten, Geheimdienste und die Armee die Hand reichen.

Als solcher hat Polat es zum Idol der neuen Nationalisten gebracht: jener Nationalisten, die nicht ohne schwarzen Designeranzug auf die Straße gehen. Selbigen Anzug fährt Polat im klimatisierten schwarzen BMW-Jeep durch den Nordirak.

Der Film ist Propaganda, und der Antiamerikanismus, in dem er schwelgt, so krude, dass man laut auflachen würde, hätte man nicht die Stimmen der türkischen Politiker im Ohr, die hell begeistert aus dem Kino kamen. "Wenn Sie jetzt noch keine Gründe gefunden haben, die Amerikaner zu hassen", heißt es in der liberalen Zeitung Radikal, "nach der Vorstellung werden Sie genug haben."

Dabei ist es eine merkwürdige US-Armee, die der Film zeigt: Das Sagen haben auf der amerikanischen Seite nicht die regulären Truppen sondern ein Haufen Wilder, die "Mad Max" entstiegen sein könnten.

In widerlichen Szenen werden die Antisemiten bedient

Und der große Gegenspieler, der fieseste der fiesen Amerikaner, ist Sam William Marshall (Billy Zane), eine schlechte Kopie des Menschen fressenden Colonel Kurtz in "Apocalypse Now": Marshall ist im Film der böse Kommandant, der den Offizieren die Kapuzen aufsetzen ließ. Er trägt stets einen blütenweißen Anzug.

Neue Schauerlichkeiten denkt er sich aus, während er auf seinem weißen Piano spielt oder vor Jesus am Kreuz kniet. Marshall sagt, er sei "im Auftrag Gottes" unterwegs. Klar, dass der Mann im schwarzen Anzug am Schluss dem Mann im weißen Anzug das Hemd rot färbt, blutrot.

"Ich bin nur ein normaler Türke", sagt Polat. "Aber wer einem Türken einen Sack über den Kopf zieht, dem lasse ich die Welt auf den Kopf stürzen."

Ihr Fett ab bekommen aber nicht nur die Christen und die Amerikaner, sondern auch die Kurden: Sie treten vor allem als feige Büttel der Amerikaner auf.

Und in besonders widerlichen Szenen werden die Antisemiten bedient: Man sieht eine bluttriefende Hand, die eine noch zuckende Niere in eine Kühlbox legt, dazu hört man die Stimme des Arztes: "Jaaa. Schööön."

Irakische Gefangene werden ihrer Organe wegen geschlachtet. Der Metzger aber ist Jude - und auf die Kühlboxen kommt groß der Adressaufkleber: "Tel Aviv/Israel".

Im Abspann taucht als Berater auch der Autor Soner Yalcin auf. Er hatte zuletzt mit seinem Buch "Efendi" Furore gemacht. Darin versteigt er sich zu der Behauptung, die gesamte Elite der Türkei bestehe aus heimlichen Juden.

"Was für ein schöner Film"

In der Zeitung Radikal hat der Kolumnist Ismet Berkan folgendes zu sagen: "Stell dir einen x-beliebigen 2.Weltkrieg-Film vor. Tausche alle Nazi-Offiziere mit Amerikanern aus. Dann nimm all die verfolgten Juden und ersetze sie durch Araber und Turkmenen. Das Resultat ist ,Tal der Wölfe'".

Zur Galapremiere in Ankara waren viele Parlamentarier erschienen. Emine Erdogan, die Frau des türkischen Premiers, gratulierte hernach dem Hauptdarsteller Necati Sasmaz: "Was für ein schöner Film."

Parlamentssprecher Bülent Arinc fragte Sasmaz, ob das Drehbuch denn der Wirklichkeit entspreche. Aber sicher, antwortete der: "Eins zu eins." In Istanbul sagte Bürgermeister Kadir Topbas begeistert: "Der Film wird sehr erfolgreich . . . Die Ehre eines Soldaten darf man niemals angreifen." Er meinte die türkischen Soldaten.

Außenminister Abdullah Gül ließ derweil wissen, er mache sich keine Sorgen über das Verhältnis zu den USA - immerhin einer der ältesten Verbündeten der Türkei: "Solche Filme machen sie doch am laufenden Band in den USA."

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