Treffen von Kim und Trump:Sag mir, was das für Blumen sind

Die Inszenierung des Treffens zwischen Kim Jong-un und Donald Trump soll vor allem eines zeigen: Wir haben die Lager hinter uns gelassen - und es war keine große Sache. Eine Analyse der Bildmotive.

Von SZ-Autoren

Der erste Handschlag

Es beginnt mit einem retardierenden Moment: Einer letzten, winzigen Schrecksekunde beim ersten öffentlichen Kontakt zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim jong-un. Denn so könnte schließlich auch eine Duellszene beginnen: Zwei Männer, bislang eher Feinde als Freunde, bislang eher hitzköpfig als besonnen, schreiten aufeinander zu. Frontalannäherung. Auge in Auge. Eigentlich ein lächerliches Motiv, für das ein Blockbuster-Regisseur zumindest ironisches Hüsteln ernten würde. Denn die Protagonisten treffen ja nicht einfach nur aufeinander. Sie treten aus ihren jeweiligen Lagern hervor. Abgesandte einer Fort-Logik. Repräsentanten diametral entgegengesetzter Pole und Systeme. Füreinander beinahe wie Alien-Wesen. Und zwischen ihnen: viel Raum. Sehr viel.

Dann aber sofort die Annäherung: Sechs Schritte für Kim, fünf für Trump - die letzten drei bereits mit zum Gruß ausgestreckter Hand - und ein, für Trump-Verhältnisse, beinahe zärtliches Schütteln. Natürlich genau in der Mitte der Strecke.

Die Bildsprache um den ersten Handschlag mag plump sein, aber sie hat auch eine perfide Brillanz. Sie holt die Zuschauer nämlich dort ab, wo sie gedanklich und emotional waren, weil sie die Protagonisten dort starten lässt, wo man sie vor dem Treffen noch verortete: weit voneinander entfernt. Sie verschweigt nicht, dass da ein Graben war, lässt aber vor allem an dem Moment teilhaben, an dem er öffentlich - und vermeintlich ohne großes Diplomatie-Gehabe - überwunden wird. Der Betrachter wird so mitgenommen, sieht Prozess statt nur Ergebnis.

Und die Leichtigkeit, mit der das alles angeblich passiert, ist essenzieller Bestandteil der Inszenierung: Wir haben die Lager hinter uns gelassen, lautet der Subtext. War keine große Sache. Zusammen elf Schritte in drei Sekunden.

Was für Schritte allerdings - entlang an apostelhaft in den Hintergrund drapierten Fahnen beider Länder (tatsächlich sind es sogar zwölf), die einander abwechseln und in ihren Rot- und Blautönen perfekt aufeinander abgestimmt sind. Mehr noch: Die Linien (beide enthalten mit Stars and Stripes auch noch ähnliche Motive) gehen in ihrer schräg von links oben nach rechts unten abfallenden Ausrichtung derart perfekt ineinander über, als würden sie den Handschlag schon vorwegnehmen - und zum Finale führen:

Nach dem Handschlag (13 Sekunden) wenden Trump und Kim sich der Welt zu, gemeinsam, verharren kurz und gehen dann ab. Auf Trumps Initiative hin. Zu Kims Seite.

Jakob Biazza

Die Blumen

Auf allen Tischen, an denen Kim und Trump fotografiert werden, stehen Sträuße oder Gestecke aus Orchideen, Anthurien, Rosen und Tulpen in den Farben Grün und Weiß. Klar, das sieht hübsch aus. Aber auch diese Farbauswahl dürfte nicht nur dem Geschmack eines Floristen geschuldet sein. Grün steht überall auf der Welt für Hoffnung und Wachstum. In vielen ostasiatischen Ländern wird die Farbe außerdem als dynamisch und frisch wahrgenommen, in China dekoriert man zum Beispiel Geschäftseröffnungen in Grün, weil die Farbe auch mit Erfolg und Reichtum assoziiert wird. Und Weiß? Ist das in Asien nicht die Farbe des Todes? Durchaus, aber gerade in Korea steht sie vor allem für Tugendhaftigkeit, Ehrlichkeit - und, wie im Hintergrund der südkoreanischen Flagge: für den Frieden.

U.S. President Trump Meets North Korean Leader Kim Jong-un During Landmark Summit In Singapore

In Korea steht die Farbe Weiß vor allem für Tugendhaftigkeit, Ehrlichkeit und Frieden.

(Foto: Getty Images)

Mit den Orchideen in den weiß-grünen Bouquets dürfte vor allem der Gastgeberstaat Singapur Markenpflege betreiben. Sie ist die Nationalblume des Landes, hochrangigen Gästen wird oft eine spezielle, neue Züchtung gewidmet - nach den Obamas und Angela Merkel wurden bereits Orchideen benannt, ob auch nach Kim und Trump eine Züchtung benannt wird, ist noch nicht bekannt.

Überhaupt ist Singapur einer der großen Profiteure dieses Treffens. Der Staat, in dem Prügel- und Todesstrafe vollstreckt werden und die Opposition verfolgt wird, inszeniert sich als sicherer, exotischer und luxuriöser Tagungsort, der als neutral genug wahrgenommen wird, um für eine hochbrisante politische Zusammenkunft als Gastgeber zu fungieren.

Kathleen Hildebrand

Die Bücher

Was diesen beispiellosen historischen Moment so intuitiv bekannt und vertraut erscheinen lässt, ist die Heimeligkeit der Aufnahme. Der schwere Teppich auf dem Boden, die dunklen Holzmöbel, das Bücherregal. Vor allem das Bücherregal. Kaum etwas steht schließlich so für Ruhe, Geborgenheit und Ankommen wie ein Bücherregal. Wo Bücher sind, dort leben Menschen. Dort ist man zu Hause.

Treffen von Kim und Trump: Wo Bücher stehen, dort leben Menschen. Dort ist man zu Hause.

Wo Bücher stehen, dort leben Menschen. Dort ist man zu Hause.

(Foto: AFP)

Bücher stehen dazu natürlich auch für den Intellekt, für den Weg des Wortes über den des Schwertes. Dort, wo Bücher stehen, geht es zivil zu. Die Auswahl der Bücher in diesem Regal, das wohl absichtlich aber auch etwas unverschuldet im Mittelpunkt der Geschichte gelandet ist, spiegelt zunächst einmal die Kultur Singapurs wider, des Ortes dieses historischen Treffens: Reiseführer Südostasien, die Singapur-Enzyklopädie, Singapur vor 50 Jahren. Ein Buch über Sir Thomas Stamford Raffles, den Gründer des modernen Singapurs, und eins über Lee Kuan Yew, den ersten Premierminister des Stadtstaates.

Dazwischen Löwenstatuetten, Blumen, Vasen. Man ist zu Gast bei Freunden, auf neutralem Boden. Klar, es geht hier um Weltpolitik. Aber wie lässt die sich besser einrahmen und einfangen, wie lässt sich der Druck, der auf diesem Gespräch liegt, besser runterregulieren, als durch ein paar Erinnerungen an das gute Leben? Essen, Kunst, die schönen Dinge. Mrs Lees Kochbücher stehen da ebenso wie ein Band über die urbane Architektur Frank Loyd Wrights und die japanische Künstlerin Yayoi Kusama. Alles hier ist auf Deeskalation ausgerichtet. Smalltalk, Nettigkeiten, keine Kontroverse.

Wobei, so ganz stimmt das nicht. Zwischen Kochbüchern und Kunst steht ein Band mit dem Namen "Vanishing Landscapes". Er zeigt Fotografien aus aller Welt. Schmelzende Eisberge in der Antarktis, brennende Regenwälder in Südamerika. Ausgetrocknete Flüsse in Afrika. Landschaften, die der Klimawandel zerstört hat. Und das gleich hinter der Schulter von Donald Trump, der in Zweifel zieht, dass der Mensch für den Klimawandel verantwortlich ist.

Julian Dörr

Der Spaziergang

Grashalme, die sich sanft im Wind wiegen, ein Weg, der sich lieblich durch einen Garten schlängelt: Diese Szene könnte der Beginn eines Image-Films für eine neue Bio-Kosmetik-Produkt-Reihe sein. Es ist aber das erste Treffen von zwei Staatschefs, die eben noch damit gedroht hatten, das Land ihres Gegenübers zu zerstören. Dieser Gegensatz ist natürlich bewusst gesetzt. Seht her, scheint dieses Bild zu sagen, wir haben verstanden. Wir wollen das, was auf dieser Erde wächst, bewahren, nicht vernichten. Wir wollen Frieden und Harmonie, keine Atomwaffenarsenale.

U.S. President Trump Meets North Korean Leader Kim Jong-un During Landmark Summit In Singapore

Sie gehen Seite an Seite - nein, sie gehen nicht, sie schlendern geradezu.

(Foto: Getty Images)

Die Botschaft der vermeintlichen Einigkeit lässt sich aus etlichen Details dieser Aufnahme herauslesen. Anders als in der Händeschüttel-Szene kurz zuvor gehen Trump und Kim Jong-un nicht hochoffiziell aufeinander zu. Sie gehen Seite an Seite - nein, sie gehen nicht, sie schlendern geradezu: Die Arme schwingen lässig an ihren Hüften vorbei, die Gesichtszüge sind entspannt, der nordkoreanische Diktator lächelt sogar.

Auch die Bilddramaturgie ist so gewählt, dass sie Hoffnung heraufbeschwört. Die Kurvenführung des Gartenweges entspricht der Blickrichtung, die man als Betrachter oder Betrachterin gewohnt ist: von links nach rechts. Das Auge folgt also der Linie des Weges, es beginnt im Bildhintergrund und endet im Vordergrund. Es macht eine Vorwärtsbewegung und tut also im übertragenen Sinne genau das, was die beiden Männer in der Bildmitte mit ihrem Treffen versuchen: vorangehen in eine Zukunft, die - so die Hoffnung beziehungsweise die Botschaft - friedlicher, wohlhabender, besser ist.

Luise Checchin

Das Auto

U.S. President Donald Trump shows North Korean leader Kim Jong Un his car, nicknamed 'The Beast', during their walk around Capella hotel after a working lunch at a summit in Singapore

Ohne Symbolik.

(Foto: REUTERS)

Dass ein Machtmännchen einem anderen Machtmännchen seine dicke Karre (Spitzname The Beast) zeigt, hat keine tiefere symbolische Bedeutung. Es ist einfach eine halb prähistorische, halb niedliche Geste, wie man sie zum Beispiel auch an Grillabenden zwischen Vorort-Familienvätern erlebt.

Jakob Biazza

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