Der Surrealismus ist dem Kino abhanden gekommen. Wenn Filme heute nicht auf die Abbildung einer vermeintlichen Wirklichkeit setzen, heißen sie Fantasy-Filme und spielen in Mittelerde.
Ganz selten einmal haben Regisseure noch wirklich den Mut, metaphorisch Geschichten zu erzählen, also tatsächlich auf eine Logik der Bilder zu setzen und nicht auf eine, die sich gefälligst aus dem Drehbuch ergeben soll.
Die belgischen Filmemacher Gustave Kervern und Benoît Delépine sind so ziemlich die letzten, die in ihren Filmen noch nach Herzenslust spinnen - sie haben "Mammuth" gemacht, in dem sich Gérard Depardieu auf eine Motorradtour durch seine Vergangenheit begab, und im vergangenen Jahr kam dann "Der Tag wird kommen" - eine durchgeknallte Familienstory.
Es geht um eine sehr eigenartige belgische Kleinstadt, die aussieht, als hätten ihr ein paar Architekten aus einer fernen, hässlichen Zukunft jede Seele ausgetrieben, und um zwei Brüder, der eine ein alternder Spätpunk, der andere ein alternder berufstätiger Loser.
Not, der notorische Nichtstuer, ritzt seinem Bruder in einem schwachen Moment seinen neuen Namen in die Stirn: Dead. Die beiden bringen im Verlauf von "Der Tag wird kommen" ihre eigenen verkorksten Biographien zur Explosion und reißen dabei noch die halbe Stadt mit in eine antikapitalistische Revolte.
Das würde alles so nicht passieren, und kein Mensch ist wirklich so wie die Protagonisten Not und Dead - aber es ist eine Überspitzung von Entwicklungen und Emotionen, die sehr wohl mit der Welt zu tun haben: mit der Trostlosigkeit einer Provinz, in der es viel zu wenig Hoffnung und Zukunft gibt, und mit der Sehnsucht ihrer Bewohner, die Funktionstüchtigkeit zu verweigern. Und mal abgesehen davon sind die beiden einfach absurd komisch.
"Der Tag wird kommen" startet in den deutschen Kinos am 2. Mai 2013.