Tom Cruise und "Valkyrie":Grün hinter der Augenklappe

Cruise im Panoptikum: Was dem unreifen Tom fehlt, ist die Gelassenheit, wie ein Clint Eastwood zu altern. Amerika sucht in "Valkyrie" nicht Stauffenberg, sondern seinen Star.

Fritz Göttler

Die Propheten lagen ziemlich daneben. Die Welt, fürs erste: Das amerikanische Kinopublikum entdeckt in dem Film "Valkyrie", der an Weihnachten in seinen Kinos anlief, nicht eine neue Facette von Nazi-Deutschland, das es bislang vor allem in brutalen und grotesken Verzerrungen kannte. Es interessiert sich nicht wirklich dafür, dass nicht alle Deutsche Nazis waren, dass es einen Widerstand in Deutschland gab auch auf der Ebene höchster Militärs, und es muss natürlich auch nicht wissen, wie historisch akkurat der Graf Stauffenberg und die Ereignisse, in die er verwickelt war, im Film dargestellt sind.

Tom Cruise und "Valkyrie": Man spürt die Unreife unter den maskenhaften Zügen, die sich noch mit vierzig nicht legen will: Tom Cruise bei der Premiere von "Valkyrie".

Man spürt die Unreife unter den maskenhaften Zügen, die sich noch mit vierzig nicht legen will: Tom Cruise bei der Premiere von "Valkyrie".

(Foto: Foto: Reuters)

In den USA geht es, beim Publikum und bei der Kritik, vor allem um den Mann, der dieses Projekt ganz und gar zu seinem persönlichen gemacht hat, Tom Cruise, der für United Artists den Film mitproduzierte und den Stauffenberg spielt.

Lachen oder nicht lachen

Ein wenig boshaft, aber durchaus treffend hat der Slate-Kritiker Stephen Metcalf die Problemlage auf den Punkt gebracht - die Frage bei Tom Cruise in "Valkyrie" sei, ob das Publikum lachen wird oder nicht. Das heißt, kein Mensch wird aus Neugier in diesen Film gehen, was das für ein Mann gewesen sein mag, dieser merkwürdige deutsche Offizier mit fehlendem Arm und Augenklappe, der Hitler zu töten versuchte im Jahr 1944.

Man will auch in "Valkyrie" einfach Tom Cruise sehen, Tom Cruise, der seit vielen Jahren sich so sehr anstrengt, erwachsen zu werden und dabei möglichst viel von dem zu retten, was ihn in seiner Jugend so erfolgreich machte. Die Geschichte, mit der auch dieses Cruise-Vehikel zu tun hat, ist nicht die deutsche der vierziger Jahre, sondern die amerikanische des letzten Vierteljahrhunderts, jener Jahre, die Tom Cruise mit "Top Gun" und den "Mission: Impossible"-Filmen grandios geprägt hat. Jener Zeit, da Amerika sich vom Reagan-Wiedererwachen bis zur Bush-Lethargie entwickelte.

Tom Cruise ist inzwischen 46, und er steckt voll in seiner Midcareer-Krise. Die Frage quält ihn, was einem Akteur bleibt, der für die dynamischen juvenilen Parts nicht mehr einsatzfähig ist. Das meint in Hollywood durchaus mehr als die Egoprobleme eines verwöhnten Stars, der seine Gagenmillionen pro Film - über zwanzig waren es in den besten Cruise-Jahren - und seinen Anteil am Rampenlicht in Gefahr sieht.

Hürde mit Würde

Es geht auch um die Millionen, die für die produzierenden Studios nicht mehr so selbstverständlich drin sind wie in den Mission-Impossible-Jahren gewohnt. ("Valkyrie" kann natürlich nicht mit den Cruise-Blockbustern konkurrieren, hat sich aber mit 30 Millionen Dollar Einspiel in den ersten Tagen und einem vierten Platz in der Wochenendliste gut geschlagen.) Und es geht um die Figur Tom Cruise, die plötzlich nicht mehr funktionieren will im Bewusstsein des Publikums. Massenfilme sind nicht nur den investierenden Studios verpflichtet, sondern auch dem Gefühlshaushalt ihres Landes. Auch die Zuschauer haben, meistens via Identifikation, in Stars wie Cruise investiert.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, wer in Hollywood vormacht, wie man altert.

Grün hinter der Augenklappe

Kollegen haben es vorgemacht, wie man die Hürde der Vierziger überspringt, Robert De Niro, Jack Nicholson, Paul Newman - der war mitten in den Vierzigern, als er "Butch Cassidy" und "The Sting" machte, zwei Filme, die ihn zur mythischen Figur machten. Nicholson war 46, als er "Terms of Endearment" drehte und einen zweiten Oscar abholte. Der Meister aller Klassen ist Clint Eastwood - er war vierzig, als er den Dirty Harry spielte, kurz zuvor hat er schon selber zum ersten Mal Regie geführt. Es gibt kaum eine Karriere in Hollywood, die so bewusst - und selbstbewusst -, intelligent und cool durchdacht und durchinszeniert wurde wie die von Clint Eastwood. Heute steht der Mann als Inbegriff eines modernen Cineasten da - und ist doch Star geblieben. Auch in seinem neuesten Film, "Gran Torino", spielt er lässig mit seinem Status als Star.

Die Lässigkeit ist es, die Tom Cruise partout nicht gelingen will. Seine Versuche weg vom eigenen Image hatten alle etwas Exzessives, vom aggressiven Verführer in "Magnolia" bis zu dem überdrehten Produzenten, den er zuletzt in "Tropic Thunder" hinlegte.

Erdhörnchen mit Augenklappe

Der Stauffenberg ist von Anfang an eine tour de force gewesen, mit Gewalt wollte Cruise die Aura der Seriösität gewinnen. Einen Mann mit Prinzipien hat er sich vorgenommen, und weil die großen Figuren der amerikanischen Geschichte in ihren Konturen allzu vertraut sind, hat er sich einen Mann der deutschen Geschichte ausgesucht, der ihm im Grunde seines Herzens fremd bleiben musste. Nun wirkt er auf manche wie aus dem Panoptikum, eine Wachsfigur, die ihr Publikum erschreckt oder zum Lachen reizt. Ein Erdhörnchen mit Augenklappe, hat es die Salon-Kritikerin grausam auf den Punkt gebracht.

Die grinsende Selbstsicherheit der Top-Gun-Generation hatte stets einen Beigeschmack von Überheblichkeit, einen Zug zur Sterilität. Man spürt die Unreife unter den maskenhaften Zügen, die sich noch mit vierzig nicht legen will. Als Stauffenberg hat Cruise erst recht keine Chance zum entspannten Spiel, zu Ironie und Selbstironie, wie sie ihm Meister Eastwood vormacht. Das muss man auch als ein Stigma der Bush-Ära sehen, des augenblicklichen politischen und wirtschaftlichen Chaos. Die Cruise-Persona, heißt es in Slate, war wie eine Junk-Aktie - nie bestimmt, reif zu werden. Kein Wunder, dass die Leute lachen, bitter lachen.

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