Toilette als Ort der Begegnung:Lustschutzräume

RESTROOM 2001 Comfort Zone Alfred Steffen Cookies

Heftig knutschen und die Tür offen lassen: eine typische Nacht im Berliner Club Cookies, 2001.

(Foto: Alfred Steffen)

Eine Ausstellung im früheren Berliner Club "Cookies" feiert die Unisex-Toilette als Raum der intimen Begegnung. Und Enthemmung.

Von Jan Kedves

Was macht man nachts im Club, wenn man in vergleichsweiser Ungestörtheit Drogen nehmen, Sex haben, sich die Achseln föhnen will, oder auch tatsächlich mal muss? Man geht auf die Toilette. Neben dem DJ, der Bar und der Türselektion gehören die Sanitäranlagen zu jenen Faktoren, die über Gelingen oder Ödnis einer Partynacht entscheiden. Vielleicht sind sie sogar der am meisten unterschätzte Faktor.

Es kann jedenfalls kein Zufall sein, dass die Legenden von den Toiletten im Berliner Club Cookies bis heute nachhallen, man bis heute in der Hauptstadt davon schwärmt, wie enthemmt und gesprächig es dort zuging, wie nah man sich kam. Es ist in den Schwarz-Weiß-Bildern des Fotografen Alfred Steffen zu sehen, die gerade in der Ausstellung "Comfort Zone" im Restaurant Crackers gezeigt werden: knutschende Paare, diskutierende Freundinnen, bei einer Zigarette halb Wegdösende, dazwischen Männer am Pissoir.

Man sparte sich das "Nanu!" und "Hoho!"

Steffen schoss diese Bilder 2001 im sechsten Cookies, das nach vorangegangenen, kleineren Manifestationen nun in einem ehemaligen Bankgebäude in der Charlottenstraße residierte - dort, wo später die Redaktion der deutschen Vanity Fair einzog und heute ein Ferrari-Showroom ist. Man feierte dienstags und donnerstags, nicht am Wochenende, und vielleicht erzählt das schon viel über das damalige, gerade noch am Ende seiner Gründerzeit befindliche neue Berlin.

Die Unisex-Toilette hier war jedenfalls ein Ort, wo man sich das verklemmte "Nanu!" und "Hoho!" sparte, das anderswo zu hören ist, wenn mal Frauen in die Männertoilette drängen oder andersrum. Es gab keine Klofrau, die mit strengem Blick zu Kaugummi- oder Kondomkauf mahnte. Innenarchitektonisch war alles sehr kommunikativ angelegt, mit ausgetüftelten Blickachsen, die dafür sorgten, dass sich Freunde beim Pinkeln in die Augen schauen konnten, oder dafür, dass exhibitionistisch Veranlagte die Blicke derjenigen trafen, die eher voyeuristisch veranlagt waren. Alles war nur eine Ecke weit.

RESTROOM 2001 Comfort Zone Alfred Steffen

Ein Ort für besondere Bedürfnisse: zum Achselhaare rasieren, Sex haben - und manchmal auch zum Pinkeln.

(Foto: Alfred Steffen)

Etwas seltsam mag erscheinen, dass diese Fotos nun an den Wänden eines Edelrestaurants ausgestellt werden. Heinz Gindullis, der Betreiber des Cookies, hat seinen letzten Club in der Friedrichstraße 2014 dichtgemacht und als Restaurant wiedereröffnet. Die Toiletten im Crackers sind wieder streng nach Geschlechtern getrennt, und auch ansonsten geht es hier nicht gerade wild zu. Was nun quasi als nostalgisch-erotische Beilage zum sechs Stunden lang marinierten Kalbskarree aus schleswig-holsteinischer Freilandhaltung funktioniert, lebt anderswo in Berlin weiter.

Denn das Prinzip der Unisex-Toilette hat sich im Clubleben der Hauptstadt durchgesetzt, an jenen Orten zumindest, wo man es mit der Enthemmung noch ernst meint. Zum Beispiel: in der Panorama Bar. Dort gibt es seit 2013 einen vom Architektenteam Studio Karhard raffiniert entworfenen Sanitärbereich aus Edelstahl, Messing und Gummi. Das aus allen möglichen Nationalitäten und Orientierungen zusammenwürfelte Publikum nutzt ihn als Lounge und Labyrinth.

Alles kann hier passieren. Frauen, die keine Lust haben, auf das Freiwerden einer von Drogisten oder Kopulierenden besetzten Kabine zu warten, stellen sich rücklings zwischen die Männer an die Pissrinne. Niemand stört sich daran. Und irgendwie ist das auch das Schöne daran. Denn die Grenzen der Privatheit und der Scham - sie werden die Menschen früh genug wieder trennen, ab Montagmorgen nämlich, wenn der Raum mit hartem Strahl durchgekärchert wird.

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