"Titanic"-Star dreht DDR-Satire:"So was wie Krieg"

Die DDR hat es nie gegeben, und sie war besser als alles spätere: Satiriker und Ex-Titanic-Chef Martin Sonneborn trifft auf seinem Gewaltmarsch durch die Zone auf lebensähnliche Zustände.

Ruth Schneeberger

Als Vorsitzender der Partei "Die Partei" trägt Martin Sonneborn bevorzugt billige Anzüge und fordert vehement den Wiederaufbau der Mauer. Als Chefredakteur von Titanic hatte er jahrelang ein Satiremagazin zu verantworten, dessen Cover einst "Zonen-Gabi" und ihre "erste Banane" zeigte, die sich als Gurke herausstellen sollte. Es geht dem Germanisten also sehr um sein Land und um das, was davon übrig blieb. Auf seinen "Gewaltmarsch" durchs "Zonenrandgebiet", 250 Kilometer entlang der ehemaligen Mauer rund um Berlin, hat er deshalb ein Kamerateam mitgenommen und einen Kinofilm daraus gemacht.

"Titanic"-Star dreht DDR-Satire: Untenrum wird's dreckig: Sonneborn und Kleingärtnerin im Pool.

Untenrum wird's dreckig: Sonneborn und Kleingärtnerin im Pool.

(Foto: Foto: www.heimatkunde-der-film.de)

Weil nicht er, sondern das Filmteam "Smac" für Dreh, Regie und Schnitt verantwortlich zeichnen, wurde aus dem beißenden Zynismus eines Sonneborn ein stilles ironisches Filmchen, das den Spaßvogel oft in nachdenklicher Pose zeigt, die vorwitzige Nase in den grauen Himmel gereckt, vielsagend schweigend. Was soll man auch sagen, wenn einem die Landjugend nächtens an der Tankstelle stolz das Innere eines Kleinwagens vorführt, das nebst Disco-Mucke und Rotlicht eine Installation samt Quietscheentchen beherbergt?

Das kurze Leben von vier Hundekotsammelboxen

"Ich war von der Kunsttfertigkeit der jungen Leute sehr beindruckt. Es handelte sich um einen Springbrunnen im Kofferraum", sagt Martin Sonneborn nach der Filmvorführung in München gewohnt eloquent im gewohnt billigen Partei-Anzug.

Im Film überlässt er lieber dem Bürgermeister einer Kleinststadt das große Wort, der stolz eine "Erholungsanlage" einweiht - mit zwei neuen Bänken, einem alten Mahnmal gegen Faschismus, einem Spielverbotsschild und vier frisch errichteten Hundekotsammelboxen. Um die richtige Frage ist Sonneborn nicht verlegen: "Was hat der Hitler-Faschismus mit den Hundekotsammelboxen zu tun?" "Natürlich nichts", beeilt sich der aus Bayern zum Relaunch der Gemeinde importierte Bürgermeister zu erklären - angeblich wurden die Hundeklos nach dem Dreh mit sofortiger Wirkung entfernt.

Es muss wohltuend für den Mauerwiedererrichtungsaktivisten Sonneborn gewesen sein, auf der Suche nach Leben im Zonengebiet Feldforschung zu betreiben, denn was er findet, sind statt blühenden Landschaften nur lebensähnliche Zustände. Mitten in waldsimulierendem Gebiet trifft er auf keine Menschenseele, sondern auf den einsamen Anbeter einer nicht näher zu bestimmenden Gottheit, der mit gebrochener Stimme die Ungläubigkeit des Sonneborn moniert. Ein Schelm, wer dabei an Loriot denkt, und daran, dass dieser Waldschrat ein Schauspieler sein könnte, denn solch absurde Begegnungen schreibt nur das Leben selbst.

Lesen Sie weiter auf Seite zwei, für welches Land sich Sonneborn noch eine Mauer wünscht.

"So was wie Krieg"

Auch das Kleingärtner-Ehepaar, in dessen schlammigem Pool es sich Sonneborn zusammen mit der Hausherrin ungemütlich macht; die beiden Schülerinnen, die sich an die DDR als "so was wie Krieg" erinnern, ihren Eltern aber glauben, dass dort trotzdem alles besser war; und der Mann von den Verkehrsbetrieben, der immer noch sauer ist, dass die Wiedervereinigung ihm seinen Fahrplan durcheinandergebracht hat - all diese Leute sind unfassbar echt. Sonneborn begegnet ihnen mit satirischem Ernst und heiterer Unverbindlichkeit.

Allein im Falle des Asylanten, der im Alter von 40 weder Frau noch Kinder hat, weil er in einer ehemaligen Kaserne festsitzt und weil die Behörden innerhalb von elf Jahren weder seine Augenfarbe noch seine Staatsangehörigkeit feststellen konnten, hat er sich festgequatscht. Und muss die Nacht in einem benachbarten pensionsähnlichen Anwesen verbringen, wo er vor dem Zubettgehen an der Bettwäsche schnuppert.

Ich denke da an Belgien

Man hätte Sonneborns Zynismus gar nicht durch poetische Landschaftsaufnahmen der Tristesse verwässern müssen. Es sind die Menschen selbst, die sich durch ihre bitteren Schicksale hindurch reinwaschen: der Großgärtner, der die Menschen nicht mag und deshalb in friedlicher Eintracht mit seinem Pitbull Maxi, der auch keine Menschen mag, neben dem Friedhof lebt. Zwei Damen vom Grill an der Tanke, die in ihren Original-80er-Jahre-Outfits nur 40 Kilometer weiter, im Zentrum Berlins, schon wieder zur modischen Avantgarde gehören würden. Der "Jugendliche" mit Schirmmütze, der sich als 30-jähriger DDR-Veteran herausstellt, der Wessis schon an der Nase erkennt, aber trotzdem Sonneborns Bockwurst hält. Oder der Sonnenanbeter, der auf einer vergammelten Brücke liegt, "weil Nacktbaden jesünder is", warum, weiß er jetzt auch nicht.

All diese Figuren sind an Tragik wie an Komik schwer durch Satire zu überbieten, also muss Sonneborn sie nur reden oder schweigen lassen. Und trotzdem werden sie dem Zuschauer auf eine Art sympathisch, die zum Verzweifeln ist. Denn in ihrer ganzen Misere wirken sie überraschend heiter gestimmt. Wer weiß, ob sie nicht diesen komischen Wessi in Freizeitkleidung für ein ganz armes Würstchen halten?

Bei der Filmvorführung in München begrüßt Sonneborn die Anwesenden "in, äh, Dings", berichtet den Bajuwaren, dass die Tristesse des Berliner Umlandes keine Tristesse ist, sondern dass es "dort einfach so aussieht", und erklärt den Siegeszug des Filmes, dessen Kinotauglichkeit sich erst noch erweisen muss, durch alle Länder, die eine Mauer haben, hatten, oder besser eine haben sollten, er denke da an Belgien.

Deshalb hat der Berliner Kurier Sonneborn schon wieder einen großen Gefallen getan mit seiner Filmkritik mit der Überschrift "Wie kann ein Mensch die Ossis nur so hassen?". Alles, was diesen Film zu ernst nimmt, ist schon wieder Satire.

"Heimatkunde" kommt am 2. Oktober ins Kino.

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