Tim Bendzko geht auf Tour:So süß, dass die Welt gerettet wird

Steiler kann eine Karriere kaum verlaufen: Noch vor kurzem kannte Tim Bendzko kaum jemand, dann schrieb er mit "Nur noch kurz die Welt retten" den aktuellen Ohrwurm der Nation. Das Porträt eines Sängers, der plötzlich überall zu hören ist.

Anna Maria Priebe

Woher man weiß, dass ein Sänger es geschafft hat? Seine Texte sind so bekannt, dass sie als Allgemeinwissen bei "Wer wird Millionär?" abgefragt werden. Tim Bendzko hat es also offiziell geschafft. Der Kandidat bei Günther Jauch wusste sofort, dass es der 26 Jahre alte Berliner ist, der "Nur noch kurz die Welt retten" und noch 148 Mails checken muss. Dabei ist Tim Bendzko nicht etwa schon seit Jahren erfolgreich im Geschäft. Ihm reichte dieser Ohrwurm, um Everybody's Darling zu werden.

Konzert von Tim Bendzko in Muenchen

Tim Bendzko beim Auftakt seiner "Du warst noch nie hier"-Tour im Club 59:1 in München.

(Foto: dapd)

Wer nun ist der junge Mann, dessen Texte die Leute aus dem Stegreif zitieren können, der im Radio rauf und runter läuft, kurz: der den Soundtrack der letzten Monate komponiert hat?

Es ist ein nebliger Novembernachmittag, in wenigen Stunden startet das Auftaktkonzert von Bendzkos Deutschlandtour. Im Münchner Club 59:1 gibt Bendzko, wie es sich für einen Newcomer gehört, Interviews im Akkord. Band und Roadies bauen im Hintergrund die Instrumente auf, viel Platz haben sie nicht.

"Das ist der größte Club, in dem wir je ein eigenes Konzert gespielt haben", sagt der Sänger. Der Satz zeugt von einer Portion Humor, denn der Club ist winzig - es ist ja auch Bendzkos erste eigene Tournee überhaupt. Erst im Laufe der Tour sollen die Hallen größer werden, schon im Februar spielt er wieder in München, dann in der heute schon ausverkauften Muffathalle. Vor mehr als drei Mal so vielen Zuschauern wie an diesem Abend.

Der Sänger trägt Jogginghose und T-Shirt, wirkt entspannt und ein bisschen müde. Wenn man ihn nach seinem Überraschungserfolg von null auf 100 fragt, grinst er, als würde ihn die Frage sehr amüsieren. Er sagt: "Es ging eher von zehn auf 100. Wir haben aber für die ersten zehn Prozent ungefähr zehn Jahre gebraucht und für die restlichen 90 nur ein paar Monate."

Entweder ganz oder gar nicht

Bendzko stammt aus Köpenick, wo er bei seiner Mutter aufwuchs. Schon mit zehn Jahren wusste er, dass er etwas mit Musik machen will und dass die Musik etwas mit ihm macht. Jedenfalls gibt er ihr sich mit aller Leidenschaft hin, "bei mir gibt's auch kein 'Gefällt mir ganz gut' oder 'Gefällt mir ein bisschen'. Entweder es gefällt mir total oder gar nicht." Mit 16 machte er ernst, fing an Gitarre zu lernen und gründete eine Band.

Mit der habe er "dann immer mal wieder Konzerte gespielt - so alle paar Jahre", erzählt er und lacht. "2009 habe ich dann gedacht: Jetzt ist es soweit, man könnte mal eine Plattenfirma zum Konzert einladen." Die seien dann auch gekommen und hätten es total super gefunden.

Seine Texte? "Unverfälscht" schwärmen die Fans

Wenn man ihm so zuhört, könnte man direkt glauben, Bendzko singe die ersten Zeilen seines Albums "Wenn Worte meine Sprache wären" über sich: ,,Er war so sehr mit sich und seiner Welt im Reinen / Er war so sehr von sich selbst überzeugt / Er wollte immer mehr und hat sich nie dafür verbogen / das fiel ihm nie schwer, ihm ist das Glück zugeflogen". Doch das Lied heißt "Auf den ersten Blick", handelt von einem Anderen und endet damit, "dass nichts davon wahr ist / und dass er eigentlich nur den Weg nach Hause sucht". Tja.

Bambi 2011 - Ceremony

Für seinen Erfolg erhielt Tim Bendzko prompt den "Newcomer"-Bambi 2011.

(Foto: dpa)

Die weiche, markante Stimme, die diese identifikationsfähige Jugendpoesie singt, kennt man aus dem Radio. Seit dem überlegenen Sieg bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest kennen die meisten nun auch das Gesicht dazu. Es ist ein schmales Gesicht mit hellblauen Augen, über denen die blonden Locken baumeln, die an Frauenliebling Matthias Schweighöfer erinnern. Tim Bendzko, der typische Mädchenschwarm?

Der 26-Jährige, der kein marktstrategisches Geheimnis daraus macht, dass er in festen Händen ist, sieht das entspannt: "Es gibt bestimmt Menschen, die das jetzt auf mein Aussehen und Alter beschränken. Aber es gibt auch die, die sich meine Lieder anhören und verstehen, was ich da so an Musik mache und an Texten schreibe. Die machen das nicht, weil ich irgendwie süß bin."

Sechs Stunden später, kurz bevor die Show startet, hallen tatsächlich nur einige schrille "Timmi"-Schreie durch den Club, sie stammen von ein paar wuschigen Mittzwanzigern. Beim Konzert selbst bleibt das Teenie-Gekreische aus. Die Stimmung ist fabelhaft, das Publikum so durchmischt, wie der Sänger sich das erwartet hat: von 16-Jährigen, "die noch hoffen, irgendwann einmal Bartwuchs zu kriegen" bis hin zu 40- und 50-Jährigen.

Die vielen Männer im Publikum sind in weiblicher Begleitung gekommen, sehen in ihrer Begeisterung aber nicht nach zwangsrekrutierten Accessoires aus. Auch sie lassen sich von Bendzko und seiner ziemlich guten Band mitreißen. Und dann sind da eben die Texte. Fragt man die Fans danach, fallen Worte wie "natürlich", "unverfälscht" und "authentisch". Bendzko selbst nennt den Schreibprozess ein "Puzzle", er baue "das Ding zusammen, und am Ende hast du ein Ganzes, und das muss halt passen". Noch eine Woche vor der Albumproduktion habe man ihm gesagt, dass keiner seine Texte verstehe. Alles sei zu verschwurbelt, da müsse noch ein bisschen Klarheit rein. Aber Bendzko sagt: "Ich schreibe das so, dass ich das verstehe." Klarer geht's nicht.

Ein Vergleich mit Xavier Naidoo? Stört in nicht

Dass er als Popsänger, der gefühlvoll auf Deutsch singt, sofort mit Xavier Naidoo verglichen wird, stört ihn nicht, er sieht darin eher ein Kompliment. Zumal die Ähnlichkeit für seine Karriere nicht ganz unbedeutend war - bei einer Castingaktion der Söhne Mannheims, bei der Pendants für jedes der Bandmitglieder gesucht wurden, hat Bendzko die Rolle des Sängers gewonnen. Als Mini-Naidoo durfte er schließlich als Vorband der Söhne Mannheims vor 20 000 Zuschauern singen.

Versucht man, eine Brücke zu schlagen von Naidoos christlichen Texten zu Bendzkos Theologiestudium, findet er das "witzig". Ob sein Glaube seine Lieder beeinflusse? "Da kann man nichts Spannendes drauf antworten, weil das ja bei jedem, der Lieder schreibt, großen Einfluss hat." Theologie habe er aus Interesse studiert und um Ordnung in die Unordnung in seinem Kopf zu bringen. Was er mitgenommen hat aus dem Studium? Seither müsse er auf viele Fragen keine Antworten mehr haben und sei einfach nicht mehr "so schwarz-weiß-denkermäßig am Start", wie er sagt.

Eine dieser vielen Fragen ist, warum der riesige Erfolg mit Preisen - zuletzt der Bambi - und ausverkauften Konzerten gerade jetzt gerade ihn getroffen hat. Er sagt: "Wenn ich jetzt wissen würde, warum mir die ganzen Sachen passieren, dann wäre das ja irgendwie nicht mehr so spannend." Irgendwie ja doch süß.

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