Tiergedichte:Pudel haart nicht

Buchmesse Frankfurt

Die ehemalige Wir sind Helden-Frontfrau hat nicht nur ein Faible für Tiere, sondern auch für Reime und Kalauer.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Judith Holofernes, einst Frontfrau der Band "Wir sind Helden", hat nun Lyrik geschrieben.

Von Michael Zirnstein

Mit Viechern hatte die kleine Judith nur Scherereien. Von bis zu sieben Haustieren war sie umzingelt. Etwa von zwei lärmenden Beos, "richtige Arschlochvögel", sie haben "nur gekackt und gehackt". Im Reitstall bekam sie die bissige Stute Dunja zugeteilt, sie fürchtete sich vor den Hufen - und ging nie wieder hin. Beim Bestaunen von Rehen vergaß sie die Zeit und bekam Riesenärger im Landschulheim. Zu früh "Der Weiße Hai" geguckt, seitdem Angst sogar im Baggersee. Als sie später von zu Hause auszog und Hund, Igel, Ratte zurückließ, ging es mit ihrer Gesundheit schlagartig bergauf. Es stellte sich heraus, Judith Holofernes ist "allergisch gegen alles mit Fell". Dabei hätte sie so gerne einen Hund. "Es bricht mir das Herz."

Doch die Tiere hielten Judith Holofernes fest in den Pfoten. Zumindest gedanklich. Ihr erstes Solo-Album als Musikerin hieß "Kamikazefliege". Als sie mit ihrer Band Wir sind Helden eine neue Neue Deutsche Welle lostrat und ihre "Stimme gegen eine ganze Talkshow-Nation" erhob, ließ sie als Haupttexterin auch wieder ihre animalischen Begleiter antanzen. Vor allem Elefanten, wie in "Ein Elefant für Dich" oder "Rüssel an Schwanz". Ein Elefant sei ein Symbol dafür, über sich hinauszuwachsen. Außerdem habe sie einen Tiernasen-Fetisch. Als ihre Band im Schlaf der Gerechten versank, machte sie auf ihrer Solo-Platte so weiter. Da schrieb sie ein Loblied auf das Opossum und trug bei Konzerten Gedichte über Gnus, Faultiere oder Wisente vor, die sie bereits auf ihrem Blog veröffentlich hatte.

Judith Holofernes' Faible für die Fauna ist also bekannt. Und doch wollten die Verlage etwas anderes von ihr. Ein Buch, natürlich, schreibende Popstars sind auch Popliteratur-Stars, zumal in ihren Tex- ten automatisch eine bekannte Stimme mitschwingt. Es sollte also so etwas wie Madonnas Kinderbuch sein von der zweifachen Mutter Holofernes. Oder etwas Lustiges wie Sven Regeners "Herr Lehmann"-Reihe. Am liebsten aber ein Roman über "Buddhismus, aber mit ein bisschen Humor - vielleicht Sex, und ein bisschen was mit Reisen, und vielleicht Kochen?" Dass ihr der Tropen-Verlag dann freie Hand ließ, einen Band mit Tiergedichten für Erwachsene (und "undoofe Kinder") zu machen, noch dazu einen in Farbe mit prächtig versponnenen Illustrationen (zum Teil sogar zum Ausklappen) ihrer alten Freundin Vanessa Karré, das empfand sie als großen Glücksfall.

In "Du bellst vor dem falschen Baum" kann sie loskalauern und reimen wie Ringelnatz, Robert Gernhardt oder Thomas Gsella über ihre tierischen Freunde und Feinde. Zum Beispiel so: "Ach, Kakadu, du Kacker du. Ach komm, jetzt mach den Schnabel zu . . ." Oder einfach Fragen stellen, die sonst keiner stellen sollte: "Haben Oktopoden Hoden? / . . . / Hoden bis zum Meeresboden?" Ganz schön albern. Aber ein Tier ist freilich nie nur ein Tier, sondern "stets auch Steilvorlage, etwas über Menschen zu sagen", sagt sie.

Jedenfalls fand sich die Buch-Fetischistin und Tochter einer Übersetzerin endlich als Autorin auf der Frankfurter Buchmesse, beglückt zwischen all den "schlauen Löwinnen" und "Silberrücken mit Weingläsern", wie nun auch auf dem Literaturfest. Da gibt es ein Wiedersehen mit schönen Rehen, schattenhaften Haien, ihrer "Vollmeise". Und es gibt auch ein Fünkchen Hoffnung, denn Allergologen haben ihr - laut Gedicht - zum Labradoodle geraten: "Pudel haart nicht und ist artig, dödelt wenig und er paart sich - Züchtern will es wohlgefallen - offenbar mit wirklich allem."

"Du bellst vor dem falschen Baum", Judith Holofernes, Dienstag, 1. Dezember, 18 Uhr, Bayern-2-Diwan, und 19 Uhr im Gasteig.

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