Tiere im Weltall:Diese Weltraumhunde verdienen unsere Liebe

Tiere im Weltall: Belka und Strelka, die wohl süßesten Weltraumhunde der Geschichte.

Belka und Strelka, die wohl süßesten Weltraumhunde der Geschichte.

(Foto: imago stock&people)

Die Hunde Belka und Strelka waren die wichtigsten flauschigen Kosmonauten aller Zeiten. Warum nur erinnert sich kaum jemand an sie?

Von Robert Hofmann

Es begann damit, dass Belka sich in die Raumkapsel übergab. Nachdem Belka und Strelka beim Start der Rakete am 19. August 1960 von der fünffachen Erdanziehungskraft auf den Boden gepresst worden waren, schwebten die wohl beiden wichtigsten Hunde, die je den Weltraum bereist haben, erst einmal apathisch in der Schwerelosigkeit herum. Die speiende Belka aber löste die beiden aus ihrer Trance und sorgte dafür, dass sie den Rest ihres Tages in der Erdumlaufbahn kläffend verbrachten.

Laika ist der Hund, den man mit der sowjetischen Weltraumforschung verbindet. Doch kann man ihre Leistung nicht mit der von Belka und Strelka vergleichen. Während Laika kurz nach dem Start ihrer Rakete 1957 starb, verbrachten die beiden Hunde drei Jahre später mehr als 24 Stunden im All. Und kehrten dann zurück, um ihr restliches Leben der Propaganda für das sowjetische Raumfahrtprogramm zu widmen. Belka und Strelka erst gaben den Anstoß für die bemannte Raumfahrt. Der Ruhm Laikas aber überstrahlt die Erinnerung an sie.

Von der Geschichte vergessen

Manchmal will die Welt nicht diejenigen würdigen, die etwas leisten. Sie will lieber die würdigen, die sich vermarkten lassen oder können. Die anderen geraten in den Fußnoten der Geschichte oft in Vergessenheit. Wen interessiert es denn, dass Thomas Edison nicht die Glühbirne erfunden hat und sein Stromkonzept am Ende durch das seines Konkurrenten Nikola Tesla ersetzt wurde? Wer will wissen, dass Christoph Columbus nicht der erste Europäer in Amerika war oder dass die Brüder Wright nicht das erste Flugzeug gebaut haben? Nicht nur Menschen, auch Tiere werden so um ihren verdienten Platz in den Geschichtsbüchern betrogen. Belka und Strelka verdienen eine Würdigung.

In Russland, das sei gesagt, sind Belka und Strelka noch heute ein Begriff. Mottenzerfressen kann man die beiden ausgestopft sogar im Kosmonautenmuseum in Moskau besuchen. Über ihnen aber prangt das Porträt Laikas. Nicht nur im Museum, auch in der Öffentlichkeit stehen sie in der Space-Dog-Hierarchie unter Laika, wobei es doch nur deren hundeseelenverlassener Pelzkörper war, der im Herbst 1957 um die Erde kreiste.

Ein Kinderfilm verklärt ihre Geschichte

Erst 2010 erschien der russische Film "Space Dogs", der von Belkas und Strelkas Kosmonautentraining, ihrem Flug ins All und den diplomatischen Nachwirkungen erzählt. Der Film erinnert an den Stil von Pixar, kopiert aber schlecht und gibt sich wenig Mühe, das zu kaschieren. Die Animation erinnert an Playstationspiele der Neunziger und die Story bleibt so oberflächlich, dass man sie eher in einem Pixie-Heft vermuten würde.

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Belka im Kinderfilm "Space Dogs" als Zirkusartistin.

(Foto: AFP)

Hobby-Kritiker auf der International Movie Database beschimpfen den Film als sozialistische Propaganda, anderen fehlen die Weltraumabenteuer der Hunde. Eine Lanze muss man trotzdem für den Film brechen. Immerhin ist er ein zeitgenössisches Dokument, das Belka und Strelka gedenkt. Ohne den Film erinnerte man sich heute womöglich gar nicht mehr an die Leistungen der beiden wuscheligen Weltraumhelden.

Sicherlich verklärt "Space Dogs" die Geschichte der beiden Hunde. Hier ist Strelka ein Taugenichts und Belka die gefeierte Artistin eines Ungeziefer-Zirkus. Mit der wahren Geschichte der Hunde und ihrer Realität als Streuner in den schmutzigen Hinterhöfen und ranzigen Seitengassen Moskaus hat das nichts zu tun. Der Aufstieg vom Bordstein bis zur Skyline fällt gänzlich unter den Tisch.

Space Dogs als Symbol sowjetischer Überlegenheit

Wer von der Geschichte Belkas und Strelkas hört, wünscht sich, Menschen stünden im Leben die gleichen Möglichkeiten offen wie Hunden. Belkas und Strelkas Reise in die Erdumlaufbahn war ein eindrucksvolles Beispiel sozialer Mobilität, mit dem sie gewissermaßen den sowjetischen Traum lebten. Auch weil sie, wie so viele Menschen im real existierenden Sozialismus, keine Möglichkeit hatten, der Erfüllung ihres Traums zu widersprechen.

Die gesamten Fünfzigerjahre hindurch wurden in Russland Hunde als Testlebewesen gen Himmel geschickt. Über ein Jahrzehnt forschten sowjetische Wissenschaftler daran, diese zuerst in die Luft, später ins All und noch später auch wieder zurück zu befördern. Das sowjetische "Space Dog"-Programm war dem Raumfahrtprogramm der Amerikaner überlegen, mindestens zeitlich.

Erst mit der Mondlandung 1969 sollten die USA die Sowjetunion überholen. Die Leistung der Weltraumhunde aber wurde dadurch nicht geschmälert. Ihre Zeit als Kosmonauten endete mit Juri Gagarins Weltraumflug im April 1961.

Unzählige Hunde ließen ihr Leben auf dem Weg ins All

Belka und Strelka aber haben ihren Weltraumflug nicht nur überlebt, sie haben auch ihr späteres Leben der Glorifizierung der sowjetischen Raumfahrt gewidmet - und damit implizit auch der Raketen-, sprich Atomwaffentechnik. Sie wurden von Pressekonferenz zu Pressekonferenz gezerrt und ließen sich öffentlichkeitswirksam von klebrigen Kinderhänden tätscheln.

Tiere im Weltall: Eng und stinkig: Sputnik 5 (Korabl-Sputnik 2), die Raumkapsel, in der Belka und Strelka einen Tag im All verbrachten.

Eng und stinkig: Sputnik 5 (Korabl-Sputnik 2), die Raumkapsel, in der Belka und Strelka einen Tag im All verbrachten.

(Foto: imago stock&people)

Zahlreiche Hunde hatten zuvor ihr Leben auf dem Weg ins All gelassen. Und auch tote Hunde spielen in "Space Dogs" eine Rolle. So ist es Strelkas Motiv, ihren Vater zu finden, den sie das letzte Mal als kleiner Welpe gesehen hat. Sie meint, ihn im Weltraum finden zu können, weil ihr einmal erklärt wurde: "Jedes Mal, wenn du eine Sternschnuppe siehst, denkt da oben ein Space Dog an dich".

Eine neue Hundedynastie: Die Pupniks

Was ist wohl das süßeste Geschenk, das man im Rahmen der internationalen Diplomatie machen kann? Wer nach Superlativen fragt, wird selten mit einer qualifizierten Antwort belohnt. Eine mögliche und durchaus zufriedenstellende Antwort aber ist: Ein Hundebaby. 1961 schenkte der Regierungschef der Sowjetunion, Nikita Chruschtschow, der Familie John F. Kennedys die kleine Pushinka.

Chruschtschow begründete damit den Aufstieg einer Hundefamilie, die bis heute für die Versöhnlichkeit zwischen Ost und West steht. Pushinka war nämlich die Tochter von Strelka. Kennedy bedankte sich für das kläffende Geschenk mit einem Brief, in dem er sich darüber freute, dass Pushinka den langen Flug in die USA gut überstanden habe, "auch wenn ihr Flug nicht so dramatisch war wie der ihrer Mutter".

Belka und Strelka müssten es sein, deren Namen die Welt jenseits des ehemaligen Warschauer Pakts kennt. Sie kennt aber nur Laika, einen unbestritten liebenswerten, genügsamen und aufopferungsvollen Hund. Doch sind es Belka und Strelka, die eine neue Hundedynastie begründet haben, die Kennedy, scherzhaft, wie er manchmal war, "pupniks" nannte. Ein Neologismus bestehend aus puppy - Welpe - und den sowjetischen Satelliten der Sputnik-Reihe.

Belka und Strelka haben ungleich mehr geleistet als Laika. Sie waren nicht die ersten Hunde im Weltraum, doch sollten wir sie feiern, als wären sie es. Denn was wir aus Geschichtsbüchern lernen, ist nicht immer das, was wir erinnern sollten. Belka und Strelka sind Helden der Raumfahrt - die einzig echten Space Dogs eben. Und wenn wir eine Sternschnuppe sehen, dann denken sie gerade an uns.

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