Theaterkritik:Winke, winke

"Odysseus - Eine Heimsuchung" hat Juliane Kann in Erlangen als eine Ein-Mann-Performance inszeniert - mit viel Gefuchtel und Gerenne, aber nicht ohne Witz

Von Florian Welle, Erlangen

Martin Maecker ist in Hochform. In den ersten zehn Minuten läuft der Schauspieler nur im Kreis herum. Mal schneller, mal langsamer, auch mal rückwärts. Dabei trägt er einen komischen weißen Hänger mit schwarzen Tupfen, goldene Beinschoner, ein Jäckchen. Weil er natürlich schwitzt, zieht er es auch mal aus. Dann aber wieder an, warum auch immer. Während das menschliche Duracell-Häschen rennt, hat man Zeit, die Bühne zu inspizieren. Im Hintergrund steht eine überdimensional große antike Maske. Vorne ein roter Stuhl, etliche Wasserflaschen. Aus denen trinkt Maecker ab und zu - es sei ihm bei all der Lauferei gegönnt. Später wird er sich das meiste über den Kopf schütten. Maecker ist schließlich zwei Stunden lang Odysseus (und zudem ein Großteil des Personals, das das Epos kennt), und den beutelte das Meer ganz schön herum, trieb ihn mal auf diese, mal auf jene Insel, zu Kalypso, Kirke und dem einäugigen Polyphem. Und erst nach zehn Jahren Irrfahrt (denen zehn Jahre Krieg vorausgingen) endlich nach Hause, nach Ithaka, zu Penelope.

"Odyssee - Eine Heimsuchung" hat Juliane Kann ihre theatrale Odysseus-Paraphrase genannt. Kann, Jahrgang 1982, ist Dramatikerin und Regisseurin. 2013 beendete sie an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" ihr Regie-Studium, seitdem inszenierte sie in Braunschweig, Darmstadt, Düsseldorf. Im vergangenen Jahr war sie mit dem "Prinz Friedrich von Homburg" beim Festival Radikal jung zu Gast. Nun sucht sie das Erlanger Markgrafentheater mit einem Gründungstext der europäischen Kulturgeschichte heim, in Szene gesetzt als Ein-Mann-Performance, die zweierlei will: Einmal in Person von Martin Maecker, der als eine Art antiker Sänger fungiert, die ereignisreiche Heimkehrer-Story erzählen. Auf der anderen Seite gibt es metatextliche Einschübe, in denen die Beziehung Rolle-Schauspieler-Zuschauer reflektiert wird, was dann immer ein wenig wie ein theaterwissenschaftliches Proseminar daherkommt. "Ich bin Niemand", ruft Maecker etwa in Anspielung auf die Polyphem-Geschichte frontal ins Publikum und fährt fort: "und werde Jemand".

Maecker ist immer dann am besten, wenn er sich ganz in seinen Part als Sänger/Odysseus hineinsteigert, weil Juliane Kann für ihn ein ganz eigenes, möglicherweise der Gebärdensprache abgelauschtes Repertoire an Gesten und Bewegungen ersonnen hat. Das ganze Gewese mit aus der Rolle fallen, die Theater-Illusion brechen, die Souffleuse beziehungsweise hier passend die Muse anrufen - ach herrje, kennt man, ganz nett, aber im Grunde geschenkt. Doch warum dreht Maecker, der sich zwischendurch immer wieder umzieht, mal wie ein kanarienbunter Zirkusdirektor aussieht, mal wie ein Olympia-Ringer, warum also dreht er bloß so gerne seine rechte Hand in der Nähe des Ohres, als wolle er unbedingt dem einzig wahren Ohrenschrauber, dem Fußballer Luca Toni, Konkurrenz machen? Und warum hält er häufig seine Arme so vor den Körper, als umarme er einen Baum?

Maeckers genau getimtes Spiel mit dem Körper, während er die Gesänge in der nur wenige Jahre alten Neuübersetzung des Schweizer Altphilologen Kurt Steinmann gestochen scharf und nuanciert rüberbringt: das ist das eigentlich Schöne an diesem Abend. Von diesem ganzen Armgewedel, Beingetrippel und -gehüpfe weiß man hingegen nicht immer, ob und was es bedeutet. Was auch egal ist, denn es hat Witz und Charme und trägt maßgeblich dazu bei, dass man sich von dieser launigen "Odyssee" gerne heimsuchen lässt. Wie sie endet? Ähnlich wie sie begonnen hat. Maecker schmeißt sich in einen goldenen Anzug, setzt sich einen goldenen Motorradhelm auf und sieht auf der abgedunkelten Bühne im Scheinwerferlicht aus wie eine Discokugel. Dann gibt er wieder den Marathonmann, bis er endlich zu Hause angelangt ist.

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