Theaterfestival Avignon:"Nun duze ich die Götter"

PUR PRESENT; PUR PRESENT, LA PRISON. Text and direction Olivier Py - © Christophe Raynaud de Lage / Hans Lucas

Olivier Pys „Pur Present“

(Foto: Christophe Raynaud de Lage/Hans Lucas.)

Das Theaterfestival in Avignon konzentriert sich zum Auftakt auf antike Blutherrschaften. Aber wie lebt man unter einem solchem Himmel?

Von Joseph Hanimann

Vielleicht bräuchte diese irre gewordene Gegenwart, in der selbst die schlimmsten Mörder ihre Untaten in den Schein der Gottesgefälligkeit stellen, einfach das Beispiel eines Mannes, der zu seiner Grausamkeit steht. Eines Mannes wie Atreus aus dem Stamm des Tantalos. Zusammen mit seinem Bruder Thyest hatte er einen gemeinsamen Halbbruder beseitigt, war aber seinerseits von Thyest um Frau, Ehre und Macht gebracht worden und sinnt nach deren Rückeroberung auf Rache. Etwas Unerhörtes möchte er vollbringen, dessen Grausamkeit selbst die Götter verblüfft. So lockt er den vertriebenen Bruder Thyest unter dem Vorwand der Versöhnung an den Hof von Argos zurück, tötet dessen Söhne, hackt die Körper in Stücke, kocht sie gar, setzt sie dem Geladenen zum Festmahl vor und beobachtet, wie diesem sich beim allmählichen Begreifen, was er da gerade verspeist, die Gedärme umdrehen. Selbst die Sonne kehrt vor Entsetzen auf ihrer Bahn um. "Nun duze ich die Götter", triumphiert Atreus nach der vollbrachten Tat im Drama des römischen Dichters und Philosophen Seneca.

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