Theater:Wunderhelles Rätsel

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Die Sphinx (Isabel Kott) und der Präsident des FC Giesing (Rainer Haustein) im Häuschen des Platzwarts, das hier das Hofspielhaus ist. (Foto: Franz Kimmel)

Stefan Kastner bringt im Hofspielhaus "Die Sphinx von Giesing" heraus

Von Egbert Tholl, München

Also: Die Ella hat ein schwieriges Verhältnis zu Wassermelonen, weil die zwar ein bisschen so sind wie sie selbst, melancholisch, und eine dicke Schale haben und ein zuckersüßes, zusammengepresstes Innenleben. Aber halt auch viele Kerne, von denen sie jetzt auch nicht sagen kann, was das für Rückschlüsse auf sie selbst, die Ella zuließe. Sicher ist aber, sie mag die Kerne nicht, auch wenn die Oma, die sie immer mit Wassermelonen füttert, meint, sie könne doch die Kerne einfach ausspucken, aber was sie nicht mag, das mag sie nicht, die Ella, da kann es sich um Wassermelonenkerne handeln oder ums Bodenturnen.

Die Ella, gespielt von Isabell Kott, freut sich auf das Fußballspiel des FC Giesing gegen die "Grattler von Steinhausen", weil sie bei den Jungs hätte mitspielen dürfen, weil sie als Verteidigerin noch jeden abgefieselt hat. Aber das Derby fällt aus. Das Denkmalamt hat verboten, auf dem Platz zu spielen, weil dort, tief unterm Gras, das Grabmahl einer Tochter von Ramses III. vermutet wird, und so eine Pharaonentochter mag es halt nicht, wenn jemand ihr auf dem Kopf herumrennt.

Und so hat das Denkmalamt die flamboyante Oma von der Ella, also Inge Rassaerts, engagiert, damit die auf die Grabungsstätte aufpasst, was die auch gern tut, denn sie kriegt dafür 20 Mark am Tag. Doch der Präsident vom FC Giesing, der nebenbei der Vater von der Ella und der Ex-Schwiegersohn von der Oma ist, will auch was haben vom möglichen Grab und gräbt selber im Loch herum, auch weil sein Brotberuf als Feinwaschmittelexperte in einer Supermarktfiliale weder Renommee noch viel Geld abwirft. Viel findet er nicht beim Graben, immerhin das Tipp-Kick-Spiel, das damals der Beckenbauer dem Verein geschenkt hat, als er diesen verließ, und weil man damals Angst hatte, die Russen kämen wieder, hat man das Spiel vergraben. Aber der dampfende Präsident, gespielt vom dampfenden Rainer Haustein, fördert mit seinen Nachforschungen in postpharaonischen Gefilden noch etwas anderes zutage, nämlich Träume, Wünsche, Sehnsüchte, erscheinend als Filme, mit einer nun sphinxhaften Ella und einem Präsident als wilden, tollen Kerl, ganz hausteinig und nicht mehr so Supermarkt.

Ja, ein echter Kastner. Auch wenn fehlt, was dessen Theaterabende zuletzt auszeichnete, das Überbordende in den Mitteln, aber im Hofspielhaus, lustigerweise gleich beim Denkmalamt gelegen, ist halt mehr Platz für Phantasie als für Chöre. Christiane Brammer, die Chefin vom Hofspielhaus in der Falckenturmstraße, hat sich von Kastner das Stück gewünscht, auch weil sie selber bei ihm schon mitgemacht hat und weil ihr Bruder Philipp, als Darsteller jahrelang symbiotisch mit den Kastner-Sachen verwoben, letztes Jahr umkam. "Er blieb in den Bergen", sagt Frau Brammer eigentümlich schön und weh, und vielleicht ist "Die Sphinx von Giesing" irgendwie nun auch ein Requiem.

Vor allem aber, und das kann man leicht nachverfolgen, blickt man in Kastners vor einem halben Jahr als Buch erschienenes Gesamtwerk, ist es eine Rückkehr zu den feinen Anfängen, wobei bei diesem Weg zurück sich die vorbeiziehende Kastner-Welt des Schweinsbratens, der Kunst und Philosophie als in sich völlig logisches, wunderhelles Refugium erweist.

Die Sphinx von Giesing , Freitag, 22. Oktober, 20 Uhr, Hofspielhaus, Falckenturmstr.8

© SZ vom 22.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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