Theater:Was möglich ist

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Mit 18 Jahren ließ sich Küspert ein Tribal tätowieren. Er mag es heute noch, weil es ihn an sein altes Selbst erinnert. (Foto: Susanne Schleyer)

Konstantin Küspert verbindet in seinen Texten Technik, Physik und Theater. Sein neues Stück "Pest" wird nun in Regensburg uraufgeführt

Von Christiane Lutz

Konstantin Küspert - das klingt so gut wie ein Künstlername. Ist es aber nicht. Konstantin Küspert, 33, ist gebürtiger Regensburger und freier Theaterautor. Ein durchstartender Theaterautor. Er schrieb das Auftragswerk "Rechtes Denken" für das Theater Bamberg, sein Stück "Mensch Maschine" wurde am Theater Regensburg uraufgeführt und war zum Heidelberger Stückemarkt eingeladen. Sein jüngstes Stück "Pest" wird jetzt ebenfalls in Regensburg uraufgeführt, inszeniert von Katrin Plötner.

Es lohnt also, sich diesen Autor einmal genauer anzuschauen. Ein großer, schlanker Mann, ganz in Schwarz gekleidet, Totenkopfring am Finger, tätowierte Quadrate an Unter-und Oberarm. Außerdem hilft ein Blick in den Rucksack, den Küspert dabei hat. Darin befinden sich: vegane Brotaufstriche, ein paar Noise-Cancelling-Kopfhörer und ein Geigerzähler. Ein Geigerzähler? "Warum nicht?" sagt Küspert. Warum eigentlich nicht. Seine unübersehbare Schwäche für Physik und Technik spielt auch in seinen Theaterstücken eine Rolle, so wird beispielsweise bei "Mensch Maschine" einem Probanden das Gehirn herausoperiert und an einen Computer angeschlossen. "Mein momentanes Alleinstellungsmerkmal ist, dass ich in meinen Stücken immer eine Verknüpfung von Wissenschaft und Theater habe", sagt Konstantin Küspert.

Für "Pest" hat er sich mit der Quanten-Multiversum-Theorie beschäftigt, die davon ausgeht, dass jede Möglichkeit in einem von einer riesigen Zahl an Paralleluniversen tatsächlich realisiert ist. "Alles, was möglich ist, passiert" ist dem Stück vorangestellt. Küspert erzählt vier mögliche Versionen der Geschichte über ein Fußballtalent, in denen einzelne Entscheidungen jeweils den Verlauf seines ganzen Lebens verändern. Meist enden sie in einer dystopischen Zukunft, in Krieg, Hunger und Reaktorunfällen. Ganz schön deprimierend. "Du musst Entscheidungen treffen. Es gibt kein richtig oder falsch, es gibt kein Gut und Böse. Es gibt nur Entscheidungen, mit deren Konsequenzen man hinterher leben muss. Das finde ich interessant." Küspert mag die Idee der Parallelität der Universen, so wie er das Prinzip der Konsequenz mag. Deshalb hat er sich mit 18 zum ersten Mal tätowieren lassen. "Ich wollte Entscheidungen treffen, die Konsequenzen haben." Nun trägt er Tribals auf dem Rücken und Quadrate auf dem Arm. Damit muss er leben.

Zum Theater kam er mit 14 Jahren, ganz klassisch, über die Theater-AG. Später trat er wegen einer Frau in den Jugendclub des Theaters Regensburg ein. Mit der Frau wurde es nichts, dafür mit dem Theater. "Ich bin dem Theater wirklich auf den Leim gegangen". Schauspieler aber wollte er nicht werden. Mangelndes Talent, wie er sagt. "Auf Regie hatte ich auch keinen Bock. Du bist als Regisseur immer Kommunikationszentrum. Musst immer den Überblick behalten. Das hat mich genervt. Aber mir war klar, das Theater ist das Richtige, das einzig Richtige für mich."

Blieb also das Schreiben fürs Theater. Ein Job, bei dem er sich nach Abgabe eines Textes auch wieder zurückziehen kann. Küspert wurde als einer von vielen Bewerbern an der Berliner Universität der Künste für den Studiengang "Szenisches Schreiben" zugelassen. Für ihn die nachhaltigste Lernerfahrung. "Ich hab' meine Art zu Schreiben entwickelt. Rausgefunden, was mein Stil ist. Wo ich hinwill. Und wie ich das mache." Seine Texte sind komplexe, düstere Experimente, weg vom Konflikt des Alltäglichen, des Kleinen, immer aufs große Ganze ausgerichtet. "Was ich schreibe, sind eigentlich Anleitungen für ein Fachpublikum. Für Dramaturgen, Regisseure, Schauspieler. Die dann ihr eigenes Know-How einbringen, adaptieren, verändern, bis zum fertigen Produkt." Er sagt, er sei froh, als Autor nicht gehypt zu werden. "Dafür bin ich zu alt, zu weird. Meine Texte sind nicht Hype-fähig." Obwohl es gerade gut für ihn läuft und er vom Schreiben leben kann, ist Küspert pragmatisch. Wenn es in zwei Jahren nicht mehr läuft, so sagt er, mache er eben wieder irgendwas anderes am Theater.

Schreiben, sagt er, könne er überall da, wo er seinen Computer habe. Das geht auch dank seiner geliebten Noise-Cancelling-Kopfhörer, mit denen er die Geräusche der Umgebung ausblenden und Musik hören kann. Ein Theaterautor ist aber immer auch Künstler und daher Selbstinszenierer. Es gibt welche, die keine Satzzeichen verwenden, um dem Leser zu überlassen, einen Satz als Frage oder Aussage zu deuten. Küsperts Inszenierung sieht so aus, dass er nur "Courier New" Schrift benutzt und alles in Kleinbuchstaben setzt. Er sagt, das erlaube ihm dann, wichtige Dinge groß zu schreiben. Aber nur die wirklich wichtigen Dinge.

Pest (Uraufführung), Premiere am Freitag, 20. November , 19.30 Uhr; Sonntag, 22. November, 19.30 Uhr, Theater am Haidplatz, Regensburg

© SZ vom 20.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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