Theater:Was für das Köpfen spricht

Urauffuehrung nach Juergen Todenhoefers Buch: Inside IS . Grips Theater Berlin, 12. Oktober 2016.

Zehn Tage im Islamischen Staat: Das ist natürlich als Reisebericht eine Sensation. Nur leider noch keine Haltung.

(Foto: David Baltzer)

"Inside IS": Jürgen Todenhöfers umstrittenes Buch, ein Bericht aus dem Reich des Terrors, versagt als Bühnenstück.

Von Thorsten Schmitz

Als der Schlussapplaus anschwillt, beginnt die eigentliche Inszenierung - die Todenhöfer Festspiele. Mit erhobenen Händen bittet Regisseur Yüksel Yolcu um Ruhe, er wolle eine wichtige Ankündigung machen. Ein Überraschungsgast sei eigens zur Premiere angereist. Flugs eilt Jürgen Todenhöfer vors Publikum, gemeinsam mit Sohn Frederic. Vater und Sohn genießen den Applaus, verbeugen sich vorm Publikum, Durchschnittsalter zwanzig. Senior Todenhöfer hat auch Manieren: Jedem Schauspieler drückt er die Hand.

Den Schauspieler Christian Giese allerdings umarmt er innig, einen Moment lang scheint es, als wolle Todenhöfer den Schauspieler nie wieder loslassen. Giese hat gerade zwei Stunden lang Jürgen Todenhöfer gespielt. Die feste Umarmung Todenhöfers gilt also (auch) ihm selbst.

"Inside IS" ist ein vom Hauptstadtkulturfonds gefördertes Stück, das auf Todenhöfers gleichnamigem Reisebericht basiert. Vor zwei Jahren war Todenhöfer zehn Tage lang auf Einladung der Terrormiliz in irakischen IS-Gebieten. Der frühere Richter und Burda-Vorstandschef Todenhöfer hat sich im Rentenalter eine Mission auferlegt: der Welt den wahren Islam zeigen. Bei seiner Wahrheitssuche verliert Todenhöfer auch schon mal die Fähigkeit zur Kritik, bester Beleg hierfür etwa ist sein arg liebliches Interview mit Syriens Diktator Baschar al-Assad. Todenhöfer hat im letzten Jahr über seinen Zehn-Tagestrip ins Kalifenreich ein Abenteuer-Sachbuch geschrieben, das über hunderttausend Mal verkauft worden ist. Dass er sich vom IS habe instrumentaliseren lassen, wurde ihm vorgeworfen, auch, dass er Interviews geführt habe mit Assad-hörigen Schergen. Todenhöfer ficht diese Kritik nicht an. Sein Buch spielt vor allem mit dem Kitzel, dass es erstmals einem westlichen, nicht-muslimischen Journalisten gelungen ist, IS-Reich zu betreten - und es lebend zu verlassen. Jetzt hat das Grips-Theater das Buch auf die Bühne gebracht. Nach der Premiere Mittwochabend bleibt die Frage: Warum?

Keine Haltung, kein Rückgrat. Stattdessen anti-amerikanische, anti-westliche IS-Propaganda

Todenhöfer war damals zusammen mit Sohn Frederic ins irakische IS-Kalifat gereist und mit Frederics - damals - bestem Freund Matthias Richter. Die beiden sind inzwischen zerstritten. Richter hatte Todenhöfers IS-Reisebericht kritisiert und gegenüber einer Spiegel-Reporterin viele Ungereimtheiten angesprochen. Das Magazin hatte dem Artikel eine vernichtende Überschrift gegeben: "Der Märchenonkel". Regisseur Yolcu hat Richter, der in Todenhöfers Bestseller ständig vorkommt, komplett vom Stück ferngehalten. Ein Kotau vor dem Bestsellerautor?

Das Stück möchte viel, schon nach einer Viertelstunde ist klar: viel zu viel. Zeigen, wie es den Todenhöfers 2014 gelungen ist, via Facebook deutsche IS-Henker zu kontaktieren, zeigen, dass gelangweilte, ausgegrenzte Jugendliche sich eine Karriere bei den Henkern in Irak erträumen, und zeigen, mit welchen Verlockungen der IS Nachwuchs rekrutiert. Dem Stück fehlt das Rückgrat, eine Haltung.

"Dein Löwe lässt dich spüren, dass du eine Frau bist."

Stattdessen: Pausenlos anti-amerikanische, anti-westliche IS-Propaganda. Die USA hätten schon immer den Nahen Osten als Tankstelle betrachtet, kein islamisches Land habe in den letzten 200 Jahren den Westen angegriffen. Zu gerne erführe man, was die Geldbewilliger im Hauptstadtkulturfonds von dem Stück halten.

Die Inszenierung bleibt gefährlich an der Oberfläche. In weiten Strecken besteht sie aus den hohlen Mantras der Terroristen und dem Jubel von IS-Fans. Dramaturgisch komplett ungebrochen etwa lobpreisen drei verschleierte Frauen, wie toll es sich im Kalifat lebe ("Du musst dich um nichts kümmern, und dein Löwe lässt dich spüren, dass du eine Frau bist"), bärtige Islamisten säuseln ins Publikum: "Ihr seid der Schmuck unserer Moscheen."

Und Filius Todenhöfer (gespielt von Patrik Cieslik)? Darf dem Publikum erklären, warum sein Vater "die Hälfte seines Lebens damit verbracht hat, der Welt klarzumachen, dass man Muslime und den Islam fair behandeln muss". Völlig irrwitzig wird das Jugendtheaterstück, als der Schauspieler-Todenhöfer mahnt: "Es gibt immer auch Argumente für die andere Seite."

Zu gerne hätte man erfahren, welche Argumente für das Köpfen, Erschießen, Händeabhacken und Vergewaltigen durch IS-Männer sprechen.

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