Theater:Traumlogisch

Theater: Drama eines Künstlers: Robert Stadlober mit Sinja Dieks.

Drama eines Künstlers: Robert Stadlober mit Sinja Dieks.

(Foto: Birgit Hupfeld)

Künstlerdrama im Zeitraffer: Robert Stadlober spielt bei den Ruhrfestspielen in Strindbergs "Rausch" einen Schriftsteller, der über Nacht zum Star wird.

Von Cornelia Fiedler

Stadlober und Strindberg - die Mischung ist typisch für die Ruhrfestspiele. Als Realo unter den Festivalintendanten kombiniert Frank Hoffmann seit 13 Jahren neue Dramatik mit Kabarett und Popmusik, als Regisseur bekannte Namen aus Film und Fernsehen mit Theaterklassikern. In seiner Inszenierung von August Strindbergs "Rausch" spielt jetzt der Kino-Publikumsmagnet Robert Stadlober den Dramatiker Maurice: jungenhaft hyperaktiv und selbstzerstörerisch zugleich.

"Rausch" ist ein Künstlerdrama im Zeitraffer. Der brave unbekannte Maurice wird über Nacht zum Starautor, verlässt wie fremdgesteuert Freundin und Kind, um mit der Femme fatale Henriette (Jacqueline Macaulay) durchzubrennen, gerät nur Stunden später unter Verdacht, seine Tochter getötet zu haben, und wird an Tag drei urplötzlich rehabilitiert.

Hoffmann und seine Dramaturgin Ruth Heynen inszenieren den Text, der einer seltsamen Traumlogik folgt und in Strindbergs Werk den Übergang vom Naturalismus zum Expressionismus markiert, als fiebriges Panoptikum. Opernhaft symbolisch liegen im Vordergrund der Bühne von Christoph Rasche große Steinkreuze als Zeichen der Vergänglichkeit. Ein stummer Beobachter in Kellneruniform sorgt für eine surreale Atmosphäre im Stil der Filme von Luis Buñuel. Mit ihren irritierenden Intermezzi als versoffen trällernde Ex-Diva im Glitzermorgenrock verstärkt Maria Gräfe vom koproduzierenden Théâtre National du Luxembourg diesen Eindruck. Und auch Wolfram Koch wirkt in beiden Rollen, als Priester und als Kommissar, wie vom anderen Stern. Gespielt wird mit Lust am Ausprobieren, teils überzogen wie im Stummfilm. Stadlober und Macaulay gelingt dabei der Spagat zwischen verächtlichem Künstlerhabitus und kindlichem Wunschdenken. Für 90 Minuten eröffnen Hoffmann und sein Ensemble eine skurrile, überraschend heutige Zwischenwirklichkeit: Keiner Figur scheint klar zu sein, dass das ihr Leben ist, was hier abläuft, und kein lustiges Live-Rollenspiel für Profilneurotiker.

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