Theater:Tatütata

Momento Mori aus dem Sanitäteralltag: Romeo Castelluccis drapiert Unfallopfer bei seiner Splatterperformance in Basel.

Von Till Briegleb

Auf den Metopen des Parthenons fließt kein Blut. Die kleinen Reliefs von antiken Kämpfen, die den Tempel auf der Akropolis zieren, zeigen heroische Gewaltmomente erstarrt in Stein. Zu den sechs "Metopen des Parthenons" von Romeo Castellucci in Basel dagegen kommt jedesmal die Ambulanz. Der italienische Erregungsregisseur, der gerne Pathos, Moral und Schock zu kalkulierten Aufregern verschnürt, die manchmal auch Kunst werden, nimmt die antike Fassadengliederung als dramaturgisches Konzept für die moderne Entsprechung des antiken Gemetzels: den Splatterfilm. Kunstvoll schrecklich hergerichtete Unfallopfer werden hier in Blut-, Urin- und anderen Lachen drapiert und fangen an zu schreien, bis das Martinshorn antwortet. Dann fahren echte Ambulanzfahrzeuge in die leere Messehalle 3, wo das Theater Basel zur Art Basel traditionell ein performatives Event veranstaltet, und die Sanitäter eilen durch die Menge der Zuschauer zur Lebensrettung.

Zwar wundert sich der Laie ein wenig, dass die neongelben Rückholprofis jede flüchtende Seele mit den gleichen Apparaten behandeln, egal ob dem Mensch die Gedärme raushängen, die verbrannte Haut Blasen schlägt oder das zerquetschte Bein neben dem Körper liegt. Als Sanitätslehrgang, so erklären Kollegen mit Rettungswagenvergangenheit, taugt diese Praxisdemonstration tatsächlich gar nichts. Aber dass man sich das Vorgehen besser nicht merken sollte, wenn man unglücklicherweise an einem Unfallort vorbeikommt, zeigt bereits die Tatsache, dass am Ende der Behandlung alle Patienten hin sind. So effektvoll ex gegangen, lässt man sie zugedeckt liegen, und auf der Wand erscheint irgendein Rätsel.

Selbst Menschen, die kein Blut sehen können, werden angesichts des intensiven Johannisbeerduftes der großzügig verschütteten Blutlachen kaum in Ohnmacht fallen. Vielmehr ist dieses Memento mori aus dem Sanitäteralltag in seiner pointenfreien Wiederholung für die zahlenden Gaffer eher eine ermüdende Steherfahrung, für die man sich einen bequemen Rollstuhl herbeisehnt. Das "raffinierte Spiel" um die "großen Menschheitsfragen", das von Castellucci versprochen wurde, verdient sich deswegen in 80 Minuten nur sehr langweilige Lehren. Die Antwort für "Woher kommen wir, wohin gehen wir?" heißt "Draußen", und dort wird man als ganzen Gewinn dieser auswendigen Unfallshow ein bisschen aufmerksamer nach rechts und links schauen, bevor man bei blutrot über die Straße geht.

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