Theater:Tanz der Puppen

Frau Mutter

Mütterliche Ausdrucksformen: kämpfen, bitten, schreien, ausprobiert von Dörte Trauzeddel, Kerstin Becke und Lisa Fertner (v. li.).

(Foto: Sensemble Theater)

Die Münchner Autorin Alexandra Helmig hat ein Stück über Mütter geschrieben. Am Augsburger Sensemble Theater wurde "Frau Mutter Tier" mit viel Gewusel uraufgeführt

Von Yvonne Poppek

Mütter lassen sich ganz einfach definieren. Entweder es sind die Frauen, die trotz Kindes weiter Karriere machen. Oder diejenigen, die trotz Karriere beim Kind bleiben. Oder sie zählen zu denen, die mit oder ohne Kind nie etwas auf die Reihe bekommen. Wie jede Pauschalisierung hat natürlich auch diese ihre Fehler. Aber egal: Diese drei Mutter-Prototypen hat die Münchner Autorin Alexandra Helmig ins Zentrum ihres neuen Stücks gerückt. "Frau Mutter Tier" ist der Titel, der etwas Animalisches zwischen dem ganzen Kindergedöns verspricht, sich dann aber lieber doch auf die Identitäts- und Rollenfindungsprobleme von Frauen mit Kindern stürzt. Als Abziehbild.

Am Augsburger Sensemble Theater wurde "Frau Mutter Tier" nun uraufgeführt in der Regie von Daniela Nering. Sie hat sich dafür entschieden, dass auf der Bühne ordentlich was los sein muss. Ist ja mit Kindern auch nicht anders, immer Betrieb. Man kann es also als eine Art Metaebene verstehen, dass die drei Schauspielerinnen in einem Moment Heiligenfiguren mimen, im nächsten Moment wie bei der Show "Eins, zwei oder drei" wild auf der Bühne herumspringen, um ja am Ende im Lichtkegel zu stehen und dann mal über den Boden kriechen, Karaoke singen oder einen Puppenwagen schieben.

Während dessen oder dazwischen erzählen die drei Protagonistinnen von ihrem Leben. Da ist die arbeitsfixierte Unternehmensberaterin Jaggi (Dörte Trauzeddel), die "Mutter" als inakzeptable Etikettierung versteht, sich lieber selbst verwirklicht und die Entwicklung ihres Sohnes optimiert wie in einem Case Study. Zu ihr gesellt sich die aufopferungsvolle Helikoptermutter Ella (Kerstin Becke), die ihre ganze Umwelt an den ach so herzig-dramatischen Einzelhandlungen ihrer Kinder teilnehmen lässt. Und da ist die überforderte Alleinerziehende Tine (Lisa Fertner), die ihr Kind instinktiv liebt, aber gerne mal Zeit hat, sich einen anzusaufen. Sie alle sind natürlich nicht zufrieden, sie spüren das scharfe Urteil der Gesellschaft, weil sie sich zu wenig ums Kind kümmern, sich nicht beruflich verwirklichen oder sowieso nichts drauf haben.

Helmig hat für die Monologe - die sie durch Märchen- oder Science-Fiction-Einschübe ergänzt - dem Volk aufs Maul geschaut. Ihre Figuren sind herausdestilliert aus einer durchschnittlichen Elterngruppe, wie man sie auf dem Spielplatz, im Kindergarten oder einer Kreativwerkstatt treffen kann. Dieser Wiedererkennungswert zeitigt zuverlässig einen komischen Effekt ebenso wie die Umsetzung auf der Bühne, auf der die drei Schauspielerinnen die Rollen ohne Verluste adaptieren, wenn sie nicht gerade wieder eine ihrer Leibesübungen machen müssen und das Gewusel und die Atemlosigkeit die Figuren einfach verschlucken.

Den Status quo des Mutterbildes einmal für die Bühne festzuhalten, ist ein ehrenwertes Unterfangen. Allerdings stagniert Helmigs Stück in dieser Zustandsbeschreibung. Es hat nicht den Brachialhumor einer Comedy-Show, die Bissigkeit des Kabaretts oder die Schärfe eines Yasmina-Reza-Stücks, die alle auch das Muttertier für sich entdeckt haben. Es begnügt sich damit, auf die Mütter von heute zu blicken, ihr halbherziges Leben vorzuführen. Das kann man machen. Und das Theater lässt dann die Puppen dazu tanzen.

Frau Mutter Tier, nächste Vorstellungen: Fr./Sa., 22./23. April, je 20.30 Uhr, Sensemble Theater Augsburg, Bergmühlstraße 34

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