Theater:Plump

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Ein englischer Theaterkritiker wirft der Royal Shakespeare Company vor, rein aus politischen Gründen eine Rolle mit einem Schwarzen besetzt zu haben. Das hat einen handfesten Medien- und Theaterskandal zur Folge.

Von Alexander Menden

"The Fantastic Follies of Mrs. Rich" wird selten aufgeführt. Das ist bedauerlich, denn die Gesellschaftssatire aus dem frühen 18. Jahrhundert ist lustig und scharf. Dass die Wiederentdeckung von Mary Pix' Restauration Comedy durch die Royal Shakespeare Company (RSC) derart hohe Wellen in der britischen Theaterlandschaft schlagen würde, war dennoch nicht zu erwarten. Die Aufregung hat auch wenig mit dem Stück selbst, hingegen viel mit der Kritik zu tun, die der Rezensent der Daily Mail über Jo Davies' Inszenierung in Stratford-upon-Avon verfasst hat.

Quentin Letts, der sich in der Rolle des rechtspopulistischen Provokateurs gefällt, hebt die Vergabe der Rolle eines dümmlichen Edelmanns an den Schauspieler Leo Wringer als völlig misslungen hervor und fragt: "Wurde Mr Wringer besetzt, weil er schwarz ist? Falls ja, hat die plumpe, politische korrekte Besetzungsstrategie der RSC wieder einmal eine ihrer Produktionen geschwächt." Letts insinuiert, die Theatertruppe sei durch die Kultursubventionsbehörde "unter Druck, Inklusivitätskästchen anzukreuzen" und müsse sich überlegen, ob ihre Kernkompetenz "Drama oder Social Engineering" sei.

So ungewöhnlich die Stoßrichtung der Kritik, so ungewöhnlich die Reaktion der RSC. Ihr Künstlerischer Leiter, Gergory Doran, wies in einer Stellungnahme Letts' Kritik zurück: "Er scheint eine offen rassistische Haltung gegenüber einem der Ensemblemitglieder zu demonstrieren." Die Besetzung der RSC orientiere sich daran, die "großartigste Person für jede Rolle zu finden ( . . . ) Wir sind stolz, dass unser Ensemble dadurch zugleich die Vielfalt des Vereinigten Königreiches repräsentiert, dass unsere Zuschauer sich auf der Bühne wiederentdecken können und dass unsere Arbeit von der größtmöglichen Auswahl an Stimmen beeinflusst wird."

Letts' Besprechung wurde nicht nur von Kollegen wie dem Theaterkritiker Mark Shenton als unsachlich verurteilt, Theatermacher forderten nun auch Konsequenzen. So schlägt der Schauspieler Danny Lee Wynter vor, Letts fürs Erste keine Pressekarten mehr auszuhändigen. "Man könnte das als Zensur betrachten, aber in jedem anderem Arbeitsumfeld könnte jeder, der rassistisch angegriffen wird, mit Recht sagen: Ich will, dass diese Person entlassen oder ein Gutachten erstellt wird." Letts selbst hat sich mittlerweile per Twitter gewehrt und wiederholt, er habe "nur die plumpe, farbenblinde Besetzungsstrategie kritisiert".

© SZ vom 12.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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