Theater:Moderne Beziehungskiste

Romeo und Julia Volkstheater

Liebe auf der Showbühne: Carolin Hartmann als Julia und Silas Breiding als ihr Romeo.

(Foto: Gabriela Neeb)

"Romeo und Julia" im Münchner Volkstheater

Von Christiane Lutz

Zu "Romeo und Julia" hat jeder schon alles gesagt. Das weiß der Regisseur Kieran Joel, deshalb jagt er zu Beginn der Vorstellung im Volkstheater Bilder von Balkonszenen über eine Leinwand. Damit webt er sich ein Sicherheitsnetz unter die knifflige Aufgabe der Klassiker-Inszenierung. Hier behauptet also keiner, etwas ganz Neues zu machen oder es gar besser zu wissen als andere. Diese Vorwegnahme ist auch eine Kapitulation vor der Last des Klassikers, der dermaßen aufgeladen ist, dass kaum die Chance besteht, ihn neu zu betrachten. Dazu passt die Showbühne gut, die Jonathan Mertz gemacht hat, inklusive breiter Treppe und einem Steg, der bis weit ins Publikum hinein ragt. Hier wird ein Klassiker ausgestellt, vorgeführt, ein Klassiker, der gut aussieht. Wie eine Samstagabendshow.

Was folgt, sind dann auch knapp zwei Stunden Show: Joel wechselt zwischen Ernsthaftigkeit und Komik, zwischen Shakespeare und Umgangssprache. Mal wagt er sich ans Drama, dann zieht er sich wieder auf die Metaeben zurück und lässt kommentieren. Zum Beispiel, wenn Luise Kinner als lässiger Mercutio (der heimliche Star des Abends) ihren Tod ankündigt und ihn dann selbst inszeniert. Blut spritzt, und dann geht es mit einem "Fick die AfD!"-Ruf zu Ende.

Silas Breiding als wunderschöner Romeo schmeißt sich mit allem, was er hat, in die Rolle des edlen, übermütigen Loverboys. Romeo ist stets die dankbarere Rolle gewesen als Julia, die auch bei Carolin Hartmann zu passiv bleibt. Zudem hat Kostümbildnerin Henriette Müller sie in ein biederes Kleidchen gesteckt, das sie noch harmloser aussehen lässt. Das fällt vor allem im Vergleich zum tollen Kostüm von Volkstheater-Neuzugang Nina Steils auf, die als Amme einen Look wie ein Fiesling aus einem Disney-Film verpasst bekommen hat.

Paris (Max Wagner) steigt Julia hinterher, weil sie und er ein hervorragendes Match auf Parship abgeben, Pater Lorenzo (Jonathan Hutter) ist heimlich verknallt in die Amme. Das ist komisch - und Schüler werden das lieben. Unterm Strich aber wünscht man sich doch mehr Ernsthaftigkeit und, ja, mehr Mut zur Poesie. Durch das Wechseln der Genres bleibt der Abend inkonsequent, das geht zu Lasten der Liebe. Denn bei aller Freude am Experiment, bei aller ironischen Distanz - wer sich aus Liebe umbringt, meint das verdammt ernst. So blitzt so etwas wie aufrichtige Liebe zwischen Romeo und Julia nur in kurzen Momenten auf. Bei der Trauung zum Beispiel, als Romeo vor Aufregung den Ring dreimal fallen lässt. Nicht mal an ihrem bitteren, bei Joel geradezu abrupten Ende, gestattet der Regisseur dem Paar noch eine letzte innige Begegnung: Bei ihm sterben Romeo und Julia für sich allein.

Vielleicht ist das Kieran Joels Sicht auf moderne Beziehungen, die, sagt Mercutio, eh in der Scheiße enden und keine wirkliche Nähe zulassen. Doch wenn nicht mal Romeo und Julia einander lieben - warum dann dieses Stück?

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