Theater:Liebe, Laptop, Leiden

Theater: Die Beziehung von Hannah (Katharina Stark) und Jakob (Paul Braitinger) ist online.

Die Beziehung von Hannah (Katharina Stark) und Jakob (Paul Braitinger) ist online.

(Foto: Marco Gierschewski)

Cybermobbing ist ein gefährliches Problem: Bei der Inszenierung von "Homevideo" im Marstall zeigen Jugendliche äußerst plakativ, wie grausam die Internet-Öffentlichkeit ist

Von Sabine Leucht

Jakob ist 15, frisch verliebt in Hannah - und wenn er alleine ist, sind immer sein Handy und seine Videokamera mit dabei. Und so kommt alles, wie es kommen muss, wenn das Stück "Homevideo" heißt und das Thema Cybermobbing ist. Denn Jakobs Mutter verleiht die Kamera an einen von Jakobs "Freunden".

Man könnte jetzt haarklein erzählen, wie eins zum anderen führt, doch der Plot ist ohnehin so vorhersehbar, als wäre er einem Aufklärungs-Workshop über die Gefahren sozialer Netze entsprungen. Trotzdem oder gerade deshalb hat der gleichnamige Fernsehfilm von 2011, der dem Schüler-Theaterprojekt des Jungen Resi zugrunde liegt, eine Reihe von Preisen gewonnen. Und man schaut sich die Geschichte von einem, der von der anonymen Öffentlichkeit des Internets zerfetzt wird wie von tollwütigen Hunden, ja auch nicht an, weil man überrascht werden will, sondern weil derlei Dinge leider passieren.

Auf der Bühne des Marstall wohnt Jakob gewissermaßen schon von Beginn an auf dem Präsentierteller. Hinter der Plattform, auf der sein Bettzeug liegt und die ihm und seinem Vater später auch als Tischtennisplatte dienen wird, ragt eine große Projektionsfläche hervor wie der Bildschirm über einer Laptoptastatur (Bühne: Peter N. Schultze). Betritt einer der anderen diese Fläche, ist das immer eine Art Einbruch oder ein Übergang zu einer anderen Stufe der Intimität. Überhaupt ist "Intimität" eines der zentralen Stichworte des neunzigminütigen Abends. Und etwas, was Regisseurin Anja Sczilinski achtet. Das Masturbations-Video, das Jakob von sich selbst macht, ist eindeutig genug, lässt aber dem jungen Schauspieler Paul Braitinger ebenso wie dem Jungen Jakob seine Würde. Umso schockierender wirken deshalb die Hass- und Ekelreaktionen im Netz, die als signalfarbene Sprachnachrichten auf vier kleineren Screens erscheinen oder ebendort von feixenden, von Denunziationslust verhässlichten Gesichtern nachgerade ausgespuckt werden. Überhaupt verwendet Sczilinski wenig Feinzeichner für alle jenseits von Jakobs Kernfamilie. Die Eltern (Dascha von Waberer, Wolfram Rupperti) bringen für den Sohn immerhin das Höchstmaß an Empathie auf, das zwischen das eigene Eheproblem und den nächsten "wichtigen" Termin passt. Die außenstehenden Jugendlichen sind, bevor sie vollends zum Mob werden, schön in Superekel, Mitläufer und Zauderer mit Restgewissen sortiert. Und dazwischen geben Braidinger und Katharina Stark als Hannah das konzentrierte Miniatur-Porträt einer ersten Liebe voller Tapsigkeiten und Missgeschicke, aber angereichert mit jener Extraportion Poesie und vorurteilsresistenter Menschlichkeit, die kurz für die beiden hoffen lässt. Doch leider - man wusste es ja - umsonst!

Homevideo, Marstall, Mo., 19. März, 20 Uhr, Di., 20. März, 10 Uhr; weitere Termine im April

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