Theater im Zelt:Der Hammer

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Domenico Cimarosas Oper "Die heimliche Ehe" mit dem Landestheater Niederbayern in Landshut

Von Egbert Tholl, Landshut

Ja wo ist man denn da gelandet? Für die Landshuter mag die Situation ja vertraut sein, spielt das Landestheater Niederbayern doch schon seit geraumer Zeit in dem Theaterzelt, weil das innenstadtnahe Stammhaus noch seiner dringend notwendigen Renovierung harrt. Wie sehr diese nötig ist, wissen offenbar die Einheimischen selbst, denn sehr geliebt scheint das Zelt nicht zu sein. Auch wenn sich das Theater dort um Gastfreundlichkeit bemüht: Der Ort ist bizarr. Erst gelangt man zur Betonwüste eines riesigen Parkplatzes im Gewerbegebiet. Der ist nicht etwa wegen des Theaters so groß, sondern wegen der gegenüber gelegenen Sparkassenarena. Und auch wenn der Platz zwischen beiden weit zu sein scheint - das Zelt ist ein genügend provisorischer Bau, um seine Besucher nicht darüber im Unklaren zu lassen, was gerade in der Arena stattfindet. Und so wird die Premiere von Cimarosas "Heimlicher Ehe" garniert von den Klangwolken einer Rammstein-Coverband, die in der Arena zugange ist, während im Theaterzelt das feine Gespinst der Oper ausgebreitet wird.

Im Zelt selbst hat man die Möglichkeit, zwei verschiedene Aufführungen zu erleben. Sitzt man auf der Tribüne, die sich wie ein Zirkusrund ums Parkett wölbt, klingt das Orchester klangschön, transparent und prächtig, die Sänger indes wirken eher so, als wehten ihre Stimmen von weiter Ferne heran. Sitzt man im Parkett, gewinnt man einen deutlich plastischeren Eindruck von den Stimmen, während der Orchesterklang Gefahr läuft, in hochinteressante Einzelaspekte zu zerfallen. Allerdings hat man nun den Vorteil, in Christoph Hammers Spiel am Hammerklavier geradezu hineinkriechen zu können. Und Hammer ist letztlich auch der Grund, weshalb man hier ist, im Dunkel der Nacht über einem trotz Rammstein ausgestorbenen Gewerbegebiet in Niederbayern.

Allein schon, wie Hammer die Rezitative am Hammerklavier begleitet, ist eine theatralische Sensation. Nie ist das, was er im Moment erfindet, Ausdruck einer rein virtuosen Spielerei; vielmehr macht er die Ränke und Zänke in Cimarosas putziger Liebesverwirrung lebendig, formt sie zu kleinen musikalischen Ereignissen. Als Dirigent zeigt er, wie ein in älterer Musik zwar nicht unerfahrenes - das Landestheater Niederbayern hat schon viele gute Erlebnisse mit Monteverdi oder Händel gehabt -, aber doch weit vom Status eines Spezialensembles entferntes Orchester aufblühen kann. Das hat schon eine seidige Eleganz und vor allem eine tänzerische, von vielen tollen solistischen Bläsermomenten durchwirkte Agogik, die beides bewirkt: musikalische Freude und Theater.

Da vergisst man auch zunehmend, dass man sich bei Cimarosa zwar immer wieder an Mozart erinnert fühlt - die "Heimliche Ehe" hatte ihre Uraufführung in Wien 1792 -, aber doch die hier verhandelte Italianita eine ungleich standartisiertere ist und die Figurenzeichnung letztlich über eine ein bisschen von der Comedia dell'arte inspirierte Pauschalität nicht hinausgeht. Da passt es dann durchaus, dass in Sebastian von Kerssenbrocks lahmer Plüsch- und Puff-Inszenierung nur die Damen - Sabina Noack, Martha O'Hara und Emily Fultz - überzeugen, während die Herren mit Kraft-, Intonations- und sonstigen Problemen zu kämpfen haben.

© SZ vom 16.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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