Theater:Im Spinnennetz der Fiesheiten

Theater: Seelen-Striptease: Carolin Hartmann, Jakob Geßner, Jean-Luc Bubert und Magdalena Wiedenhofer (von links) in Lars Noréns "Dämonen".

Seelen-Striptease: Carolin Hartmann, Jakob Geßner, Jean-Luc Bubert und Magdalena Wiedenhofer (von links) in Lars Noréns "Dämonen".

(Foto: Gabriela Neeb)

Nicolas Charaux inszeniert Lars Noréns "Dämonen" im Volkstheater

Von Petra Hallmayer

Liebe kann so schrecklich sein. Um sich so weh tun zu können, dafür müssen zwei Menschen einander sehr nahe stehen. Erbarmungslos kostet das kinderlose Yuppie-Pärchen in Lars Noréns Zimmerschlacht "Dämonen" jede nur erdenkliche Gemeinheit aus und rammt sich das Messer mitten ins Herz. Dabei hat Katarina sich doch eben noch aufreizend im schwarzen Unterrock geräkelt, haben sie und Frank einander verführerisch lockend umtänzelt. Unvermittelt richten sich die Beiden in Nicolas Charaux' Inszenierung zwischen den Schlägen auf, treten aus dem gruseligen Ehealltag heraus und spielen sich und uns großes Liebeskino vor.

Ein schwarzer, schenkelhoher Rahmen umschließt die bis auf einen Tisch leere Bühne, als würden wir durch ein Fenster in einen Wohnraum spähen, auf eine lang gezogene Leinwand blicken oder einem Kasperletheater für Erwachsene zusehen. In einer Plastiktüte hat Frank gerade die Asche seiner toten Mutter heimgebracht. Nun wartet er mit seiner Frau auf seinen Bruder und seine Schwägerin, doch die sagen ihren Besuch plötzlich ab. Beim Gedanken an einen weiteren Abend allein zu zweit klammert sich Katarina (Carolin Hartmann) am Tisch fest, krampft sich ihr Körper zusammen.

Also lädt Frank die Nachbarn ein, ein nettes junges Elternpaar, dessen Leben sich nur noch um die Kinder dreht. Sich in einem langen, wilden Kinokuss umschlingend, führen Frank und Katarina den Gästen demonstrativ ihre (angeblich) unermüdliche sexuelle Leidenschaft vor. Bald schon zappeln die liebreizende, pausenlos verlegen plappernde Strahlefrau Jenna (klasse: Magdalena Wiedenhofer) und ihr unbeholfener wie ein TU-Student daherkommender Mann Tomas (Jakob Geßner) in dem Spinnennetz aus Fiesheiten und erotischen Avancen ihrer Gastgeber, die sie als Statisten in ihrem Hassliebestheater missbrauchen. Es dauert nicht allzu lange, bis in dem an Edward Albees Klassiker "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" angelehnten Stück die Glücksfassade der Jungeltern in Trümmern liegt. Hemmungslos schreit die chronisch übermüdete Jenna schließlich ihren ganzen Frust heraus.

Das Drama des schwedischen Autors Lars Noréns von 1984 ist nicht völlig frei von literarischen Schwächen, aber es bietet eine schöne Spielvorlage, die die Inszenierung geschickt nutzt. Mit harten emotionalen Kontrasten entfaltet der französische Regisseur Nicolas Charaux bei seinem Volkstheater-Debüt einen traurigen, witzig-grotesken Beziehungsszenenreigen. Übergangslos lässt das Schauspieler-Quartett Plaudereien in hysterische Eruptionen kippen und schafft es dabei wunderbar, Komik und Ernst auszubalancieren. Noch nie sah man Jean-Luc Bubert so zurückhaltend agieren, dessen mit Coolness gepanzertem Frank die abrupten Wechsel zwischen Lässigkeit und Brutalität fantastisch unangestrengt und ganz ohne schrille Töne glücken. Nur einmal dreht Bubert auf und glänzt mit einer superlustigen Karaoke-Nummer von "I Put a Spell on You."

Charaux, der immer wieder die Ebene des Bühnenrealismus verlässt, übersetzt die inneren Befindlichkeiten der Figuren in expressives körperliches Spiel. Das gelingt manchmal rundum überzeugend, wirkt aber gelegentlich auch arg artifiziell. Ein paar Manierismen hätte sich die Aufführung sparen können. Insgesamt aber darf man sich über einen intelligent konzentrierten, gekonnt gebauten und schauspielerisch starken Theaterabend freuen, der perfekt auf die Kleine Bühne des Volkstheaters passt.

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