Theater Erlangen:Mimenspiel und Tennisspiel

Nathan der Weise

Nathan (rechts Ralph Jung) debattiert mit Sultan Saladin (Hermann Große-Berg).

(Foto: Jochen Quast)

Gediegen inszeniert: Lessings "Nathan der Weise"

Von Florian Welle, Erlangen

Angesichts von IS, Flüchtlingsbewegung und brennenden Unterkünften ist Lessing wieder Autor der Stunde. "Nathan der Weise" steht aller Orten auf den Spielplänen. In der vergangenen Spielzeit führte das Münchner Volkstheater sein Stück auf, kürzlich eröffnete damit das Deutsche Theater Berlin die Saison. Jetzt folgen Erlangen und im Dezember das Stadttheater Ingolstadt. Anders als Andreas Kriegenburg in Berlin nimmt die Erlanger Intendantin Katja Ott das dramatische Gedicht in fünf Aufzügen ernst. Anders als Christian Stückl in München ändert sie nicht einmal etwas an Lessings Wohlfühlschluss, bei dem sich Juden, Christen und Muslime in den Armen liegen.

Ott will an die Utopie des religiösen Mit- und Nebeneinanders glauben. Was zählt, ist der Mensch! Eine Haltung, zu schön ist, um wahr zu sein. Etwas Unwahrscheinlicheres als Lessings Dramenkonstrukt gibt es nicht - bekanntlich stellt sich am Ende heraus, dass fast jeder mit jedem verwandt ist. Aber Hand aufs Herz: Der unbedingte Glaube an das Gute im Menschen und den Frieden auf Erden tut gut. Und er tut not.

Bühnenbildner Bernhard Siegl hat ein einziges Szenenbild ins Markgrafentheater gestellt: Man kann den hölzernen Aufbau wahlweise als antikes Amphi- oder als anatomisches Theater begreifen. Nur dass in Otts Hörsaal keine Leichen, sondern Lessings Dialoge seziert werden. Das in Straßenkleidung agierende Ensemble spricht äußerst deutlich und korrekt, der Tonfall mutet etwas antiquiert an, ist so kaum mehr im Gegenwartstheater anzutreffen. Benjamin Schroeder als junger Tempelherr und Nathan-Darsteller Ralph Jung sind neu im Ensemble. Beide sind gut, Jung sollte allerdings sein exaltiertes Mienenspiel - Stirnrunzeln, Augen aufreißen und zusammenkneifen - zügeln.

Während im Halbrund also zwei Antagonisten um die Deutungshoheit ringen, hören stets alle anderen von den Rängen aus zu. Wie in einem Tennisspiel verfolgen sie die Wortgefechte zwischen Nathan und dem Tempelherrn, Sultan Saladin und Nathan, Recha und Daja. Nach drei Stunden ist man des permanenten Kopfdrehens der Darsteller müde. Zumal sonst so gut wie nichts passiert, sieht man von einigen Witzeleien ab. Der ein oder andere zündende, das Geschehen kommentierende Regieeinfall hätte der gründlichen, aber auch recht gediegenen Inszenierung gut getan. Doch für Katja Ott zählt das Wort. Sie will, dass man sich konzentriert, Lessings Botschaft hört. Bei ihrem Nathan kommen daher vor allem Freunde des gepflegten Sprechtheaters auf ihre Kosten.

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