Theater:Die Verteidigerin

Lesezeit: 3 min

Auf dem Weg in die Katastrophe: Die Liebe zu Jason bringt Medea (Meike Droste) dazu, ihre Familie aufzugeben und das goldene Vlies zu rauben. (Foto: Thomas Aurin)

In der Fernsehserie "Mord mit Aussicht" spielt Meike Droste eine Polizistin, die Fälle löst. Am Residenztheater wird sie als Medea in dem Stück "Das goldene Vlies" selbst zur Täterin

Von Christiane Lutz

An ihren ersten Mord erinnert sich Meike Droste nur mit Mühe. "Das muss an der Schauspielschule gewesen sein. Ach ja, die Kindsmörderin von Schiller. Mein erster Mord. Ein Monolog, den ich erarbeitet habe." Zwanzig Jahre war Meike Droste damals alt und Studentin an der Otto Falckenberg Schule, gerade war sie von Neusäß bei Augsburg nach München gezogen. Jetzt, 15 Jahre später, spielt Droste wieder eine Kindsmörderin. Medea nämlich, die berühmteste Kindsmörderin der Literaturgeschichte, in "Das goldene Vlies". Über das Morden hat sich Meike Droste noch nie sonderlich viele Gedanken gemacht. Dabei ist es ein Thema, das in ihrer Karriere als Schauspielerin immer wieder auftaucht. In diversen Theaterproduktionen wurde sie auf der Bühne ermordet, als etwas bräsige Polizeimeisterin Bärbel Schmied klärt sie in der Serie "Mord mit Aussicht" Tötungsdelikte auf. Die Serie läuft seit 2007 in der ARD und das sehr erfolgreich. Einen Film gibt es auch schon: "Ein Mord mit Aussicht" wird am 28. Dezember ausgestrahlt. Als Polizistin vom Lande aber bleibt Droste immer auf der klar definierten "guten" Seite, Täterpsychologie muss sie als Bärbel Schmied nur bedingt betreiben.

Bei Medea sieht das anders aus. Denn was um Himmelswillen bringt eine Mutter dazu, ihre eigenen Kinder umzubringen? "Wenn man es von außen betrachtet, sagt natürlich jeder: Es gibt keinen Grund, der das rechtfertigt. Für Medea aber ist der Grund, dass sie alles verloren hat." Das stimmt. Medea, um es kurz zusammen zu fassen, hat aus Liebe zum fremden Jason ihre Familie aufgegeben, hat mit ihm ein Heiligtum geraubt, das Vlies, und ist mit ihm nach Korinth geflüchtet. Das sagt die griechische Mythologie und so steht es bei Franz Grillparzer, dem Autor von "Das goldene Vlies". In Korinth wird sie als Fremde behandelt, als Barbarin während Jason und ihre Kinder irgendwann vom König aufgenommen werden sollen. Medea fügt sich zunächst, gibt ihre Zauberkräfte auf, doch das genügt nicht. Sie soll vertrieben werden und die Kinder zurücklassen bei Jason, der sie inzwischen verlassen hat. "Für mich erlischt in dem Moment etwas in ihr", sagt Droste, "der Mord an den Kindern ist absolute Rache an dem, der sie verraten hat und gleichzeitig ein nicht anders können, weil sie alles verloren hat. Und vor allem ist er die Erfüllung eines Fluchs, der am Beginn der Geschichte steht."

Meike Droste liebt es, die Figuren, die sie am Theater spielt, zu ergründen und sie dann mit aller Gewalt zu verteidigen, wie sie es nennt. Gerade, wenn die Figur etwas Unsympathisches tut. So verwundert es nicht, dass sie protestiert, wenn Medea einseitig als blutrünstige Mörderin behandelt wird. Franz Grillparzer zeichnet Medea sehr menschlich, er führt die ganze Vorgeschichte aus und erklärt, was sie an den Punkt bringt, die Tat überhaupt zu begehen. Regisseurin Anne Lenk hat eine Fassung des Textes erarbeitet, die diese Menschlichkeit noch stärker betonen will, die auch der anfänglichen Liebesgeschichte zwischen Medea und Jason viel Raum gibt. Das Thema Flucht und Schutzsuche drängte sich außerdem auf, so lebt Medea in Lenks Inszenierung mit ihrer Familie monatelang in einem Zeltlager in Griechenland, bis sie Einlass beim König finden.

Meike Droste kann beides spielen, das Leichte und das Schwere. Das hat sie zu einer begehrten Schauspielerin werden lassen, zur Zeit ist sie Ensemblemitglied am Deutschen Theater Berlin. Vielleicht mag sie es daher auch, wenn das Komische sich mit dem Brutalen vermischt, wie in "Mord mit Aussicht" oder im aktuellen Film von Woody Allen, in dem ein Professor in der Lebenskrise einen Mann umbringt, um sich wieder bedeutend zu fühlen. Den fand sie toll. Ein guter Mord. "Ein Mord ist immer ein Ausdruck für etwas Fremdes, vielleicht fasziniert das den Zuschauer - und stößt ihn gleichermaßen ab. Da erlebt sozusagen ein anderer etwas für mich, das ich in dunklen, geheimen Gedanken selbst schon mal durchgespielt habe."

Auch wenn sie das Phänomen erklären kann: Die Liebe der Deutschen zu Krimis teilt Meike Droste persönlich überhaupt nicht. "Ich lese keine Krimis, ich mag keine Krimis. Und Tatort schaue ich sehr selten."

Das goldene Vlies , Premiere am Sonntag, 6. Dezember, 19 Uhr, Residenztheater, Max-Joseph-Pl. 1, 21 85 19 40

© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: