Theater:Die Pistole an der Schläfe

; Stadttheater Fürth: Damjan Batistic, Tristan Fabian, Josephine Mayer, Sunna Hettinger, David Schirmer
Foto: Thomas Langer (honorarfrei bei Namensnennung)

Parforceritt gegen den Krieg: "Simplicius Simplicissimus - Der klügste Mensch im Facebook" in Fürth.

(Foto: Thomas Langer)

"Simplicius Simplicissimus - Der klügste Mensch im Facebook" in Fürth

Von Florian Welle, Fürth

Krieg, Flucht und Vertreibung sind keine neuen Themen, sondern Teil der Menschheitsgeschichte. Weshalb das Theater derzeit nicht nur die Konflikte der Gegenwart im Blick hat, sondern auch Stoffe wie "Die Schutzflehenden" von Aischylos hervorholt. Daneben gibt es Mischformen. Eine solche ist die jüngste Uraufführung am Stadttheater Fürth. Dort hat Jochen Strodthoff den Barockdichter Grimmelshausen mit Texten des syrischen Bloggers Aboud Saeed mit dem Ziel gegengeschnitten, nach Überlebensstrategien damals wie heute zu fragen.

"Simplicius Simplicissimus - Der klügste Mensch im Facebook" ist eine ebenso kluge wie wilde Theaterperformance Strodthoffs. Nur dass er sie diesmal nicht mit der Gruppe "Hunger & Seide" entwickelt hat, sondern mit einem jungen, fünfköpfigen Fürther Ensemble, das auf Kinder- und Jugendtheater spezialisiert ist. Mit viel Energie wird auf selbstgebauten Instrumenten gehämmert. Wird mit Malerfarbe herumgeschüttet, was das Zeug hält. Wird schließlich auf dem Bühnengestänge, das irgendwie Simplicius Hütte darstellen soll, herumgeturnt und Erde gegen Plastikplanen geworfen. Dass aus all dem am Ende eine runde Sache wird, erstaunt umso mehr, da es in diesem Parforceritt eine Zeit braucht, bis die Schauspieler ihren Rhythmus gefunden haben. Was auch daran liegen mag, dass das Kulturforum mit seinen Säulen, die im Raum stehen und den Kontakt zum Publikum erschweren, ein undankbar zu bespielender Ort ist.

Grimmelshausen: Das ist der dickleibige Schelmenroman "Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch", in dem das Wolfskind Simplicius durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges irrlichtert. Er hat Glück, seine Naivität und Gewitztheit lassen ihn letztlich überleben. Kraftvoll, saftig und derb ist die Sprache Grimmelshausens, dessen Kriegsstory die Schauspieler mit gehörigem Druck wiedergeben. Immer wieder unterbrochen von den Einträgen, die Aboud Saeed seit Ausbruch des Syrienkrieges auf Facebook postet. Beide Textblöcke reiben sich aneinander und erzeugen so eine Spannung, der man sich schwer entziehen kann.

Saeeds Stilmittel, um das Morden zu verarbeiten oder es sich auch vom Leib zu halten: Arroganz, Zynismus, Größenwahn gepaart mit popkulturellem Zitaten-Clash. "Ich bin der eitle Aboud Saeed, der extrem eingebildet ist und sich selbst für wichtiger hält als Mohammad Al-Maghout, Adonis und Lady Gaga", ist die Tonlage, in der Saeed, 1983 im kleinen Manbidsch in der Provinz von Aleppo geboren, schreibt. Seit 2013 lebt der "syrische Bukowski" in Berlin, postet weiter. Seine "Statusmeldungen aus Syrien" liegen unter dem Titel "Der klügste Mensch im Facebook" als Buch vor, waren Grundlage für ein Stück am Ballhaus Naunynstraße. Strodthoff hat für seine Performance noch auf Saeeds jüngste Veröffentlichung "Lebensgroßer Newsticker. Szenen aus der Erinnerung" zurückgegriffen. Auch diese kommen mit Wucht, Wut und Verzweiflung daher: "Ich schreibe, während eine Pistole auf meinen Kopf gerichtet ist." Am Ende Jubel für ein Stück, das auch die Bayerischen Theatertage in Hof, wo es im Mai Gast sein wird, aufmischen könnte.

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