Theater:Die Elendskarawane und das Einkaufszentrum

Theater: Lakonischer Humor: Szene mit Daniel Rothaug und Mervan Ürkmez.

Lakonischer Humor: Szene mit Daniel Rothaug und Mervan Ürkmez.

(Foto: Katrin Ribbe)

Schnoddriges, temporeiches Gegenwartsdrama: "Nur die Harten (kommen in den Garten)" von Dirk Laucke in Oberhausen.

Von Martin Krumbholz

Das Theater Oberhausen unter Leitung seines Intendanten Florian Fiedler bevorzugt schnelle, witzige, gesellschaftlich relevante Vorlagen - also zum Beispiel Stücke des 1982 in Halle geborenen Dramatikers Dirk Laucke. Fiedler und Laucke sind fast eine Art Dreamteam.

Sein Stück "Nur die Harten (kommen in den Garten)" hat Dirk Laucke als Hausautor für Oberhausen geschrieben, besser: dem jungen, multikulturellen Ensemble gebrauchsfertig in den Mund gelegt. Der Autor hat ein gutes Gehör, der Jargon seiner Figuren passt perfekt zur Mentalität des Ruhrgebiets und zu dessen lakonischem Humor. Da wird schon mal das englische Wort für Hüfte geistesgegenwärtig mit der gleichklingenden Babynahrung verwechselt, vor allem aber durchlöchert die schnoddrige Ausdrucksweise eher unbewusst die Verpflichtung zu politisch korrekten Attitüden; Begriffe wie "Umvolkung" oder "Helfernarzissmus" rutschen da auch und gerade Migranten gelegentlich durch, ohne dass man gleich zusammenzuckt.

Rückblende ins Jahr 2015, Flüchtlingskrise. Laucke erzählt in zwei parallelen Handlungssträngen, wie schwer es ist, das Gebot der Stunde nach Solidarität mit den eigenen Ansprüchen und Bedürfnissen zu vereinen. Ludi, Mina und Jörg kutschieren mit Kamera und Rekorder an eine Außengrenze Südosteuropas, und schon kommt es zum Konflikt. Mina und Ludi haben sich vorgenommen, die Flüchtlinge zu filmen und zu Hause auf Flatscreens in einem Einkaufszentrum zu "ballern", um die Menschen aufzurütteln. Es gibt in Oberhausen das gigantische, die Innenstadt aussaugende Shoppingparadies namens Centro (was man dort übrigens "Zentro" und nicht etwa "Tschentro" ausspricht). Der eher pragmatische, geerdete Jörg hält aber nicht viel von der Idee, die "Elendskarawane" in einem Konsumtempel zur Schau zu stellen, er würde viel lieber eine Doku für Arte fabrizieren und damit nebenbei auch ein bisschen Geld verdienen.

Die zweite Geschichte erzählt von Renee und Amir, die eine Kickbox-Schule betreuen und zunächst gar nicht einsehen, dass sie ihre Anlage den Neuankömmlingen aus Syrien und dem Irak überlassen sollen. Beide Fäden werden erst am Schluss zusammengeführt, aber die fünf Spieler sind natürlich permanent in Aktion. Fiedler als Regisseur setzt auf ein enormes Tempo (150 Seiten Text dauern keine 90 Minuten), seine Methodik verlangt den durchtrainierten Schauspielern körperlich eine Menge ab, wobei die Akrobatik nie zum Selbstzweck wird. Egal, wo die Szenen gerade spielen, die Bühne (Ines Loska) besteht lediglich aus ein paar hohen hölzernen Podesten.

Die Fantasie der Zuschauer spielt bei dieser Art Gebrauchstheater eine Hauptrolle. Lösungen werden nicht angeboten, die Konflikte bleiben akut, Glücksmomente sind rar, Verständnis für die Perspektiven der anderen ist mühsam zu erarbeiten. Dass die Geflüchteten Lieder von Helene Fischer für ein erstrangiges deutsches Kulturangebot halten, macht die Kinder des Ruhrgebiets jedenfalls einigermaßen perplex.

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