Theater:Der Mann am Fenster

Theater Regensburg

Michael Heuberger und Roland Avenard.

(Foto: Sarah Rubensdörffer)

Bernhard Setzweins Fantasie über Bohumil Hrabal hatte am Theater Regensburg ihre Uraufführung

Von Egbert Tholl, Regensburg

Die Idee ist wunderbar: Der Spitzel Dutky hat den Auftrag, Bohumil Hrabal zu überwachen. Dazu zieht er ein in die Datsche neben der des tschechischen Dichters, beobachtet ihn viele Jahre lang, schreibt Bericht auf Bericht, die er alle seiner Frau Anna mitgibt, damit diese sie in die Kreisstadt bringt. Dutky geht auf in seinem Auftrag, immer getreu seines Mottos: "Alle registrieren, nichts übersehen, selber aber dabei nie entdeckt werden: Das ist die Kunst." Denn das Subjekt der staatssicherheitlichen Begehrlichkeiten könnte ja zurückgucken, zurückbeobachten, obwohl er, also das Subjekt, offenbar rasend faul ist und den ganzen Tag auf der Terrasse verbringen kann, immer barfuß, meist gewandet in ein Ringelhemd.

Das hört man am Theater Regenburg, man sieht es nicht. Vage kann man auf der Bühne ein Dachgeschoss erahnen, doch es herrscht ein tiefes Dunkel. Man hört nur Dutkys Stimme, während dieser herumkramt, den Bleistift spitzt und eine gelbe Rübe isst - zumindest klingt es so. Dann taucht in dem Dunkel eine junge Frau auf, gespielt von Pina Kühr, die der nun auch sichtbare Dutky Michael Heubergers für eine Abgesandte des Kreisstadtüberwachungsbüros hält. Noch jedoch sieht man die beiden über Video, der letzte Schritt zur echten Bühnenrealität steht noch aus.

Doch schon breitet sich Aberwitz aus. Wir befinden uns im Jahr 1997, Hrabal ist schon ein halbes Jahr tot, der Sozialismus als Staatsform noch viel länger, nur Dutky weiß davon nichts, beharrt auf seiner Pflicht, über die er vielleicht selbst ein kleiner Hrabal geworden ist, im Sinne von Chronist des Alltags, nur ohne mitunter leicht surreale Poesie. Und so braucht er eine Zeit, bis er kapiert, dass die junge Dame bei ihm ist, weil sie im Haus gegenüber, in Hrabals Haus, eine Gedenkstätte einrichten will, mit Dutky als Fremdenführer. Sein Material hat sie schon: Anna, Dutkys inzwischen auch längst verstorbene Frau, brachte dessen Aufzeichnungen nicht in die Kreisstadt, sondern gab sie bei der Nachbarin ab, Frau Swoboda.

Bernhard Setzwein hat einen schönen Text geschrieben über Hrabal, den tschechischen Dichter, der das freie Reden im Wirtshaus schätzte und vielleicht schon deshalb als subversiv galt, tatsächlich auch einige Jahre mit Publikationsverbot belegt war. Mia Constantine inszeniert den Text auch als Stationendrama der Erkenntnis: "Echtes" Theater wird ihre Aufführung, wenn Hrabal (Ronald Avenard) selbst auftritt, und nun der Beobachtete neben dem Beobachter steht, freundlich, und begabt mit Weisheit: "Das Leben ist zum Verrücktwerden schön." Das muss Dutky erst noch lernen, wenn er nun anfangen sollte, selbst zu leben.

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