Theater:Beziehungsknaller

Tender Napalm (DSE)
(Foto: Sandra Schuck)

Ausgerechnet das winzige Prinzregenttheater in Bochum traut sich an Philip Ridleys "Tender Napalm" heran. Das Stück erzählt von einer Hassliebe.

Von Martin Krumbholz

Es ist nichts für schwache Nerven, das kündigt schon der bizarre Titel an: Was der Brite Philip Ridley in "Tender Napalm" zu Papier gebracht hat, ist ein Beziehungsknaller, bei dem das Zündeln und Knallen wichtiger zu sein scheint als die - sowieso ein grausames Wort - "Beziehung". Und doch: Auch die Liebe scheint (noch) eine Rolle zu spielen, wenn Mann und Frau - Archetypen ohne Namen - einander versichern, dass sie dem anderen am liebsten Patronen in den Mund und Granaten in den Anus schieben würden . . .

Kein Wunder, dass bislang kein deutsches Theater sich an "Tender Napalm" herangetraut hat, aber auch kein Zufall, dass ausgerechnet das winzige Prinzregenttheater in Bochum sich die Rechte sicherte. Denn das PRT, im Süden der Stadt in einer ehemaligen Zeche untergebracht, versteht sich mit seinen 100 Plätzen als Forum für ein dezidiert junges, überwiegend studentisches Publikum. Podiumsdiskussionen und Popkonzerte finden hier ebenso einen Spielraum wie neue und alte Stücke. Komplexe Stoffe wie "Kohlhaas" sind darunter, aber auch Klassiker des Gegenwartstheaters wie Jelineks Fukushima-Stück "Kein Licht", das ein Absolvent der Folkwang-Universität der Künste inszenierte. Vor anderthalb Jahren hat Romy Schmidt die Leitung des Privattheaters übernommen. Ihre Inszenierung des Märchenstücks "Die Schöne und das Biest" schoss sensationell auf Platz 1 des virtuellen "Theatertreffens" der Internet-Plattform "Nachtkritik": auch

ein Resultat gekonnter digitaler

Vernetzung.

"Tender Napalm" ist eine Wucht - so jedenfalls scheinen es die

jungen Leute im Saal zu erleben. Lakonische Dialoge wechseln mit Monologen, deren Stoff aus Comics und Fantasy-Geschichten besteht. Corinna Pohlmann und Ronnie Miersch spielen diese nicht nach-

lassende Hassliebe in der Regie von Frank Weiß virtuos. Zwei Stunden lang halten sie sozusagen die Lunte in den Händen. Der Schluss ist dann erstaunlich ruhig.

Erst in der letzten Szene erfährt man, wie die beiden sich gefunden haben und was sie von Anfang an fasziniert hat. Denn Ridley steht fest in der Tradition des angloamerikanischen "play-writing",

das Spannungen kühl kalkuliert, auch in der größten Hitze des Gefechts.

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