Theater:Auf der Stelle treten

Die Räuber Residenztheater

Sie kommen nicht vom Fleck: Diese Räuberbande ist ein planloser Haufen, die kein gemeinsames Ziel kennen. Hauptsache Protest.

(Foto: Andreas Pohlmann)

Ulrich Rasche nimmt sich im Residenztheater Schillers "Räuber" vor, legt deren Pessimismus frei und setzt ihn in einem gigantisch aufwendigen Bühnenbild um

Von Karen Bauer

Ob Ulrich Rasche die Münchener Theaterbesucher genauso plättet wie die Frankfurter? Am dortigen Schauspielhaus sorgte der Regisseur im vergangenen Jahr mit seiner Inszenierung von Büchners Drama "Dantons Tod" für Aufsehen, ließ die Revolutionäre auf wuchtigen Walzen die Bühne planieren. Nun ist er zum ersten Mal in München zu Gast und eröffnet die Spielzeit am Residenztheater. Hier legt Rasche noch eine Schippe drauf: Das Bühnenbild ist das aufwendigste und teuerste, das er je entworfen hat. Seit einem Jahr schrauben die Theater-Techniker an der überdimensionalen Stahlkonstruktion. Nun ragen zwei gigantische Laufbänder in die Höhe des Bühnenraums: im Winkel verstellbare, drehbare Selbstoptimierungsmaschinen für Riesen, in diesem Fall aber für "Die Räuber".

Ulrich Rasche ist Bühnenbildner und Regisseur in Personalunion. Bekannt ist er für eindrucksvolle Chor-Szenen, inspiriert vom Meister des Fachs, Einar Schleef. Dass Rasches Wahl auf Schillers Räuber fiel, verwundert daher nicht: Den Regisseur fasziniert der Prozess, in dem sich die Räuberbande zusammenrottet, die gewaltige und gewalttätige Energie, die dabei frei wird. Ein Stoff, wie für Rasche gemacht.

Dem voraus geht aber der Brüderzwist: Karl und Franz Moor rivalisieren um die Gunst des Vaters, wobei der schöne, erstgeborene Karl bessere Karten hat. Der jüngere Franz verleumdet seinen Bruder und überzeugt den Vater, Karl zu verbannen und ihn als Alleinerben einzusetzen. Franz kommt in Schillers Drama mit Buckel und übergroßer Nase daher, intrigiert aus Neid. Ein schwacher Grund, den Schiller da gesetzt hat, findet Ulrich Rasche. Er besetzt den Franz daher lieber mit einer Schauspielerin, genauer gesagt mit Valery Tscheplanowa. Die ist attraktiv, im Besitz ihrer Kräfte und hat aus Rasches Sicht eine stärkere Motivation um Anerkennung, Macht und ihr Erbe zu kämpfen: ihre Benachteiligung als Frau in einer patriarchalen Gesellschaft. Wenn Franz in Abwesenheit Karls um dessen biedere Verlobte Amalia wirbt, dann wirbt also eine Frau in der Rolle eines Mannes um eine Frau. Damit produziert Rasche Spannung, öffnet im Theatralen neue Dimensionen, die in Schillers Text nicht angelegt sind.

Aus Verzweiflung über den Bann des Vaters, nicht aus Idealismus, schließt sich Karl in der Zwischenzeit der Räuberbande seiner Freunde an. Die sieht Rasche als diffusen Haufen ohne gemeinsame Vision: "Die Räuber sind kein Revolutions-Stück", sagt Rasche. Zumindest wollen die Räuber keine idealistische Revolution im Sinne eines Robespierre. Sie morden und wüten, ohne dabei einen höheren Zweck zu verfolgen. Zusammenhalt innerhalb der Bande - Fehlanzeige, Hauptsache: Protest. Sind das Pegida-Anhänger, die uneins über ihr Kernprofil doch gemeinsam aufmarschieren und mit Parolen die Gesellschaft spalten? Für Rasche sind Schillers Räuber in jedem Fall ein pessimistisches Stück, das eben nicht aufzeigt wie eine erfolgreiche Revolution aussieht. In Klettergurten angeseilt lässt Rasche die Räuber auf den Laufbändern marschieren. Vorwärts und rückwärts, aufwärts und abwärts stürmen und drängen sie und kommen doch nicht vom Fleck.

Begleitet wird das von den Klangteppichen des amerikanischen Komponisten Ari Benjamin Meyers. Für ihn steht nicht nur der Klang, sondern auch das Musizieren als performativer Akt im Mittelpunkt. Rasche und Meyers arbeiteten bereits am Schauspiel Frankfurt und in den Sophiensälen Berlin zusammen. In München spielt ein Live-Ensemble aus Violine, Viola, E-Bass und Percussion. Der Tenor Sandro Schmalzl singt dazu, Martin Burgmair und Gustavo Castillo steuern als Bassbaritone die tieferen Töne bei. So verschmelzen Meyers repetitive Minimal-Klänge, die an Philip Glass erinnern, mit der klaren aber effektvollen Ästhetik Rasches. Und nach dem pausenlosen Gewaltmarsch auf den Laufbändern und den treibenden Beat-Schleifen mit Vocals sind zumindest die Musiker und die Schauspieler platt.

"Die Räuber", von Friedrich Schiller, Regie: Ulrich Rasche, Premiere, Fr. 23. September, 19.30 Uhr, Residenztheater, 21 85 19 40

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