"The Lady" im Kino:Blüten der Unverwundbarkeit

Seine Vorliebe für Action-Knaller und Kämpfernaturen ist bekannt. Nun setzt Luc Besson der Widerstandsikone Aung San Suu Kyi mit "The Lady - Ein geteiltes Herz" ein bildgewaltiges Denkmal. Der Regisseur muss sich vorwerfen lassen, ein verklärendes Heiligenbild entworfen zu haben. Sein Drama versinkt aber nie im Gefühlskitsch.

Rainer Gansera

Schnell noch steckt der Vater seiner Tochter weiße Blüten ins Haar. Das Kind, die zweijährige Aung San Suu Kyi, winkt zum Abschied. Der Vater: ranghoher Offizier, Nationalheld des Unabhängigkeitskampfes, Verfechter einer demokratischen Neuordnung Birmas, fährt zur regierungsbildenden Versammlung und fällt einem brutalen Massaker putschender Militärs zum Opfer.

"The Lady" im Kino: Michelle Yeoh als Aung San Suu Kyi. Die malaiische Schauspielerin verleiht der Heldin Charisma.

Michelle Yeoh als Aung San Suu Kyi. Die malaiische Schauspielerin verleiht der Heldin Charisma.

(Foto: Universum Film GmbH)

Mit dieser aufwühlenden, den Kontrast von Idylle und Blutbad schockierend in Szene setzenden Rückblende ins Jahr 1947 beginnt Luc Bessons Hommage an Aung San Suu Kyi, nach "The Iron Lady" der zweite Film innerhalb weniger Wochen, der eine politische Frau ins Zentrum stellt. Erinnerung daran, dass Birma (heute: Myanmar) über fünfzig Jahre lang von Militärjuntas mit eiserner Hand regiert wurde.

Ein Schreckensregime, das das Land nach außen abschottete und im Innern zum Gefängnishof machte. Von der beklemmenden Atmosphäre, die in Myanmar herrschte, gab noch jüngst Michael Mittermeier in der Dokumentation "This Prison Where I Live" (Regie: Rex Bloomstein) eindrucksvolles Zeugnis: als er versuchte, mit seinem inhaftierten myanmarischen Comedian-Kollegen Zarganar Kontakt aufzunehmen. Bessons Film bezieht sich kurz auch auf die Verhaftung des Comedians, im vorigen November wurde Zarganar aus der Haft entlassen.

Vor wenigen Tagen gingen unter der Überschrift "Der Triumph der Lady" Jubelbilder um die Welt: Ausgelassen feierten Anhänger der Oppositionsführerin Suu Kyi ihren Sieg bei den Nachwahlen in Myanmar. Ein triumphaler Sieg, der vorerst aber nur symbolischen Charakter hat, denn die Mehrheit der Parlamentssitze bleibt für die Partei der Regimetreuen reserviert, und niemand kann sagen, ob die aktuelle Reformpolitik des Präsidenten Thein Sein strategischem Kalkül entspringt oder durchgreifende Veränderungen heraufführen wird.

Suu Kyis Bewunderer, die sie liebevoll "The Lady" oder "Mutter Suu" titulieren, hoffen auf freie Wahlen im Jahr 2015, bei denen sie das Präsidentenamt erringen könnte.

Strahlkraft in würdevoller Schönheit

Eineinhalb Jahrzehnte lang war sie unter Hausarrest gestellt. Sie galt als Staatsfeindin Nummer eins, wurde als Marionette des Westens verhöhnt, isoliert, und die Machthaber hofften darauf, dass ihr Charisma mit der Zeit verblassen würde. Das Gegenteil war der Fall, und vielleicht hat Luc Bessons melodramatischer Aufriss ihrer Lebensgeschichte seinen Anteil daran, dass Suu Kyis Strahlkraft in ihrer würdevollen Schönheit auch in den aktuellen Auseinandersetzungen ungebrochen bleibt.

"The Lady" darf zwar in Myanmar nicht gezeigt werden, startete aber im Februar in verschiedenen asiatischen Ländern. Und natürlich gab es seit Monaten jede Menge Raub-DVDs auf den Straßen der Städte.

Nach der Rückblende ins Putschjahr 1947 springt die Erzählung bald ins Jahr 1988: Mit ihrem Ehemann Michael Aris (David Thewlis), einem britischen Historiker und Tibetologen, und ihren zwei Kindern lebt Suu Kyi (Michelle Yeoh) in Oxford. Ein Anruf holt sie nach Rangun (heute: Yangon), wo ihre Mutter nach einem Herzinfarkt im Sterben liegt - schon schlagen die Wogen der politischen Wirrnisse über ihr zusammen. Sie wird Zeugin der Niederschlagung der Studentenrevolte.

Einsam an einem paradiesischen Ort

Hier entfaltet "The Lady" sein erzählerisches Herzstück: die Geburt des politischen Engagements der Heldin. Sie stellt sich der Oppositionspartei National League for Democracy als Galionsfigur zur Verfügung, bereist die ländlichen Gegenden, besucht unterdrückte ethnische Minderheiten.

Es ist, als hätten Land und Leute nur auf diese zarte, nachdenkliche Frau gewartet, die die politische Erbschaft ihres Vaters antritt. Wie in den schönsten Actionfilmen ist nie eindeutig, wie viel von ihrer Dynamik diese Figur aus dem Innern entwickelt, wie viel davon Reaktion auf die Umwelt ist.

Gegenschlag der Militärs: Annullierung der Wahl, Hausarrest, Soldaten verbarrikadieren ihr Anwesen, der Ehemann und die beiden Söhne dürfen sie nur kurzzeitig besuchen, sie weigert sich, das Land zu verlassen, weil sie sonst nicht wieder einreisen darf. Elemente eines Dramas, das der Film direkt der Wirklichkeit entlehnt, in seinen emotionalen, in seinen absurden Momenten.

Suu Kyi übernimmt ihre Rolle, als Symbolfigur, Verkörperung des Widerstands, des Willens zur Demokratie. Sie lebt an einem paradiesischen Ort, in einem herrschaftlichen Haus am See, aber das Haus ist leer und einsam. Das Paradies ist dieses Mal von innen verschlossen. 1991 kann sie nur per Transistorradio die Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo verfolgen, die Militärs haben den Strom für ihr Anwesen abgestellt. Dann das Schmerzlichste: Sie kann ihrem Mann nicht beistehen, als er an Krebs erkrankt . . .

Widerstandskraft mit einer Spur Koketterie

Luc Besson schildert das Schicksal seiner Heldin bildgewaltig, in einer Mischung aus faktengetreuem Dokudrama und melodramatischer Überhöhung. Melos erzählen von Heldinnen, deren Anspruch auf privates Glück in Konflikt gerät mit dem gesellschaftlichen Verhängnis.

Ein Genre, das eigentlich nicht auf Bessons To-do-Liste steht. Als erfolgreicher Produzent und Regisseur ist der Franzose für seine Action-Knaller ("Transporter", "Taxi") bekannt, das heißt für typologische Figurenzeichnung und robuste Kampfszenerien. Auch seine Heldinnen sind kampforientiert, die Killerin "Nikita" oder "Johanna von Orléans" - es geht hier nicht um feinnervige Psychologie, sondern um mythisch aufgeladene Pop-Ikonographie.

Man hat Besson vorgeworfen, dass er in "The Lady" ein verklärendes Heiligenbild entwerfe, die politische Analyse dem Melodramatischen opfere. Einwände, für die es gute Gründe gibt, und doch versinkt das Drama nie in Gefühlskitsch. Der Zauber von Hauptdarstellerin Michelle Yeoh - sie hat Besson das Projekt angetragen - verhindert das, sie verleiht der Heldin Charisma.

Die stärksten Momente gewinnt Besson, wenn er die Heldin in ihrer Unerschrockenheit zeigt, im Aufblühen einer Widerstandskraft, die auch Koketterie anklingen lässt. Immer ist jemand da, der ihr Blumen ins Haar steckt: wenn sie die große Rede vor der goldenen Shwedagon-Pagode hält oder ungerührt auf die Phalanx der Gewehre zuschreitet. Eine verbürgte Szene. Die weißen Blüten im Haar schenken ihr eine Aura der Unverwundbarkeit.

DANS LA LUMIÈRE / THE LADY, F/GB 2011 - Regie: Luc Besson. Buch: Rebecca Frayn. Kamera: Thierry Arbogast. Musik: Eric Serra. Mit: Michelle Yeoh, David Thewlis, Jonathan Raggett, Jonathan Woodhouse, Susan Wooldridge, Benedict Wong, Htun Lin, Agga Poechit. Universum, 132 Minuten.

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