"The Interview" in US-Kinos:Ein Hollywood-Film als kriegerischer Akt

Nun lief "The Interview" doch in ausgewählten amerikanischen Kinos an - und spielte gleich eine Million Dollar ein. Viele Amerikaner sehen den Film "aus Prinzip" an. Auch Präsident Obama sollte das tun.

Von Fritz Göttler

Nun also doch, ein Überraschungsweihnachtsgeschenk aus dem Hause Sony, der umkämpfte Film "The Interview" - mit dem bösen Attentat auf Nordkoreas Diktator Kim Jong Un - startet an Weihnachten in ausgewählten Kinos. Eine Zeitlang hatte die Firma ziemlich viel falsch gemacht in ihren Reaktionen auf den Hacker-Angriff auf ihren Firmencomputer, die Veröffentlichung peinlicher Mails und diskreter Daten. Als die Hacker dann großspurig mit Attacken in 9/11-Manier auf Kinos drohten, die den Film spielen würden, und die Kinoketten ihre Buchungen rückgängig machten, zog Sony den Film aus dem Verleih.

Wie fassungslos müssen Seth Rogen und James Franco, die das "Interview" mutwillig ausgeheckt hatten, gewesen sein, als Obama erklärte, es wäre eigentlich patriotische Pflicht aller guten Amerikaner, sich den Drohungen zum Trotz dieses subversive Monstrum anzuschauen.

Die Briten wollten einst Chaplins "Großen Diktator" verbieten

Was als schrille PR-Klamotte begonnen hatte, war zum absurden Politikum geworden. Der Kinogang als Akt des Widerstands. Kino als Spielball der Politik. Ähnlich turbulent war es in Sachen Großer Diktator - als Chaplin 1939 seine Hitler-Satire vorbereitete, erklärte Großbritannien, man würde diesen Film nicht zeigen, der Appeasementpolitik wegen. Als der Film dann fertig war, gab's eine große Premiere - inzwischen hatte England den Nazis den Krieg erklärt.

Im Fall von Sony wurde der Krieg in diesem Sommer erklärt. In einem Brief an den UN-Generalsekretär Ban Ki Moon warf der nordkoreanische Botschafter Ja Song Nam der US-Regierung das Sponsoring von Terrorismus vor: "Die Produktion und den Verleih eines solchen Films über die Ermordung eines amtierenden Führers eines souveränen Staates zu genehmigen" müsse als "kriegerischer Akt" angesehen werden. Ein "gedankenloser provokativer Wahnsinn", für den die USA mit harten Reaktionen zu rechnen hätten.

Das "Interview" ist sicher keine Satire, allenfalls das hektische Hin und Her um die Premiere eskalierte zur Realsatire. Satire impliziert Belehrung, die moderne amerikanische Comedy - um Judd Apatow, Seth Rogen, James Franco, Evan Goldberg - ist auf volle Zersetzung aus. Chaplins "Diktator" entstand in Reaktion auf die Zustände in Nazideutschland - die Brutalität des Regimes, die KZs, die Kriegstreibereien, aber auch die zunehmende Lächerlichkeit der Hitler-Persona, für deren Studium Chaplin brillantes Anschauungsmaterial hatte: Leni Riefenstahls "Triumph des Willens". Chaplin, der anarchische Tramp der Zehner und Zwanziger, durchsetzte seinen Slapstick nun mit Message.

Wie Chaplin hatten auch Seth Rogen und James Franco sich eins der letzten Regime ausgesucht, das sich ungeniert popanzig geriert - die Mischung aus äußerem Pomp und innerer Hohlheit praktizierte, nach dem Ende der Autokraten des sozialistischen Blocks, nur noch die Kim-Clique in Nordkorea. Mit einer Naivität, einer Infantilität, der satirisches Potenzial immer schon inhärent war. Im "Interview" wird sie nun mit der pubertären Anarchie der Comedy überzogen.

Eine Million Dollar hat der Film am Starttag eingespielt, in etwa 300 Kinos. Ab sofort gibt es ihn VOD (auf Youtube, Google Play, Xbox Video und bei Sony selbst, http://www.seetheinterview.comsite). Die Groteske hatte am Ende einen derartigen Drive, dass der Film selbst - obwohl richtig zackig und ohne Rücksicht auf Geschmack und correctness - kaum noch mitkommen kann. Eine Fortsetzung mag man sich nur noch in den Wirren in der Ukraine vorstellen. Und natürlich müssten Seth Rogen und James Franco erst mal darauf bestehen, dass sich, wie jeder gute Amerikaner, auch der Präsident das "Interview" anschaut.

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