"The Imitation Game" im Kino:Krieg der Superhirne

"The Imitation Game" im Kino: Der Schöpfer und sein Monster: Benedict Cumberbatch als Alan Turing - hinten die elektrische Entschlüsselungs-Apparatur, die er konstruiert hat.

Der Schöpfer und sein Monster: Benedict Cumberbatch als Alan Turing - hinten die elektrische Entschlüsselungs-Apparatur, die er konstruiert hat.

(Foto: Jack English)

Kein Schauspieler verkörpert Superintelligenz auf zwei Beinen so virtuos wie Benedict Cumberbatch. Er spielt Alan Turing, dem es gelang, die Geheimcodes von Hitlers Wehrmacht zu entschlüsseln.

Von Tobias Kniebe

Es dauert nur etwa zehn Minuten, dann wird schon die Oberschurkin des Dramas vorgestellt. Dunkel pulsiert die Musik, die Kamera fährt langsam und drohend auf sie zu. "Welcome to Enigma", sagt dazu eine stramme britische Militärstimme. Und was sieht man? Einen ziemlich merkwürdigen Holzkasten, etwa von der Größe und Anmutung einer Reiseschreibmaschine.

Das also ist sie - Enigma, die legendäre Verschlüsselungswaffe der Nazis, die alle wichtigen Funksprüche der Wehrmacht chiffriert und den Briten im Zweiten Weltkrieg das größte Kopfzerbrechen bereitet. Könnte man nur ein paar dieser Botschaften knacken! Dann würden, zum Beispiel im gerade erst beginnenden U-Boot-Krieg, die Karten vollkommen neu gemischt.

Aber wie? Daran arbeitet, Anfang September 1939, die Government Code and Cypher School in einem idyllischen Herrenhaus in Bletchley Park, Buckinghamshire. Die Problemstellung ist klar - und damit der Ausgangspunkt von "The Imitation Game".

Das Drehbuch stammt von dem amerikanischen Autor Graham Moore, inszeniert hat es der Norweger Morton Tyldum, aber der Film wirkt trotzdem erstaunlich britisch. Mit acht Nominierungen liegt er auch ganz gut im aktuellen Oscarrennen - mit dem klaren Anspruch, der schlaueste seines Jahrgangs zu sein.

Im Versammlungsraum mit der Enigma-Maschine herrscht indessen erst einmal Ratlosigkeit. So ein Ding erbeutet zu haben, ist wichtig - bringt für sich genommen aber gar nichts. Auch einzelne Botschaften wurden schon im Klartext abgefangen - aber das ist nur der Ausgangspunkt. Das ganze System der deutschen Verschlüsselung, mit täglich wechselnden Einstellungen, müsste geknackt werden.

Ergriffen von der Komplexität und Boshaftigkeit

Neben dem Kasten liegt noch eine Box mit austauschbaren Metallzahnrädern, vorn hat sie elektrische Kabel, die man umstecken kann. Dieser Anblick lässt das Herz der Codeknacker sinken. Allein die möglichen Positionen der Zahnräder offerieren mehr als hunderttausend Möglichkeiten, die Buchstaben eines Funkspruchs gegen andere Lettern auszutauschen. Das Umstecken der Kabel fügt dieser Zahl noch einmal 1,3 Billionen hinzu.

Kein Wunder, dass die Deutschen ihr Gerät für unentschlüsselbar halten - alle im Raum sind ganz ergriffen von der Komplexität und Boshaftigkeit dieses Apparats. Nur einer nicht: ein junger Mann mit scharfgezogenem Scheitel und schuljungenhaften, beinah kindlichen Gesichtszügen. Der rechnet bereits.

Alan Turing, 27 Jahre alt, Fellow der Mathematik am King's College in Cambridge, hat schon drei Jahre zuvor seine Arbeit "On Computable Numbers" veröffentlicht, bis heute einer der Schlüsseltexte der Mathematik.

Brüsk, geheimnisvoll und unnachsichtig

So wie der Film ihn vorstellt, lebt er wirklich komplett in der Welt der Zahlen, ohne jegliche Sozialkompetenz: der Schöpfergeist, mal wieder ein Arschloch. Und ungefähr so stellt man sich einen späteren Vordenker der künstlichen Intelligenz, berühmt für den "Turing-Test", bei dem Maschinen so tun müssen, als ob sie Menschen seien, ja auch tatsächlich vor.

Hätte ihn jemand anders spielen können als Benedict Cumberbatch? Im Moment sicher nicht. Seit seinen "Sherlock"-Folgen für die BBC, seit seinem erschreckend genauen Julian-Assange-Porträt in "The Fifth Estate" verkörpert Cumberbatch so etwas wie die Superintelligenz auf zwei Beinen - brüsk, geheimnisvoll und unnachsichtig überragen seine Figuren alle Normalbegabten in ihrem Umkreis um Längen. Da passt Alan Turing nun wie die Faust aufs Auge

Herrlich zum Beispiel schon sein Vorstellungsgespräch in Bletchley Park, wo er einem stattlichen, respektgebietenden, innerlich bis zum Platzen aufgeblasenen Offizier der Navy (Charles Dance) gegenübersitzt, goldene Ärmelstreifen inklusive.

Der Commander wirft einen Blick auf Turings Lebenslauf und macht den Fehler, ihn als "Wunderkind" zu bezeichnen. Das kann der Kandidat so nicht stehen lassen. "Nun ja", sagt er - "Newton entdeckte den binomischen Lehrsatz, als er 22 war, Einstein schrieb vier Arbeiten, die den Lauf der Welt veränderten, im Alter von 26. Soweit ich das sehen kann, habe ich gerade mal eben . . . gleichgezogen."

Mitten in diesem bemerkenswerten Satz, es ist wirklich eine Schau, schiebt Benedict Cumberbatch einen kleinen nervösen Lacher ein, der beinahe wie ein Schluckauf klingt. Darin schwingt alles schon mit, was diese Figur dann prägen wird: ungelöste Verklemmungen, Zeichen einer Homosexualität, die im bigotten England der Nachkriegsjahre noch tragische Folgen haben wird; aber auch die Entschlossenheit, sich nur mit den Allergrößten zu messen.

Volles Risiko

Am Ende wird man diesen Mann durchaus mögen, schließlich ist er der Held - aber es ist schon ein Teil von Cumberbatchs Sport, den Zuschauern (und seinem Kollegen in Bletchley Park) die Sache erst einmal so schwer wie möglich zu machen.

Als neu eingestellter Codebreaker jedenfalls fährt Turing gleich volles Risiko: weiß alles besser, feuert unfähige Kollegen, legt sich mit den Vorgesetzen an und schreibt schließlich einen Brief an Churchill persönlich, um die nötigen Mittel zu bekommen.

Das funktioniert, schafft aber auch enormen Erfolgsdruck. Denn Turing konstruiert nun eine Art gewaltige Gegenmaschine, groß wie eine Schrankwand, die mögliche Verschlüsselungs-Kombinationen elektrisch durchprobiert - klackend und ratternd wie eine Höllenmechanik. Aber anfangs braucht sie immer noch viel zu lang, und die Nerven liegen blank.

Geschickte Dramatisierung mit Begrenzungen

In seinen Dramatisierungen der wahren Geschichte von Bletchley Park ist das Drehbuch recht geschickt: Droht alles zu kalt und zu männlich zu werden, wird prompt das Team um ein weibliches Mathegenie erweitert (gespielt von der dann wieder wunderschönen Keira Knightley). Hier wird Turings Vertraute Joan Clark, mit der er tatsächlich einmal verlobt war, stark überhöht.

Auch sonst bleibt alles sehr intim - der Film suggeriert, dass für die entscheidenden Durchbrüche bei der Entschlüsselung eine Handvoll Akteure in einer Holzbaracke ausreichten. Tatsächlich arbeiteten im Januar 1945, auf dem Höhepunkt des Kryptoanalyse-Kriegs, etwa 9000 Menschen in Bletchley Park.

Und gerade weil "The Imitation Game" den Anspruch hat, ganz auf der Höhe seines komplexen Entschlüsselungsspiels zu sein, muss man am Ende doch wieder über die Begrenzungen des Kinos reden. Einmal zum Beispiel flirtet einer der Mathematiker im Pub mit einem der Civil-Service-Girls, die für das Abhören der Funksprüche zuständig sind. Die Frau erzählt, dass sie einen bestimmten Funker des Feindes inzwischen an seinen Marotten erkennt - weil er seine Codes immer mit denselben Anfangsbuchstaben beginnt.

Morten Tyldum inszeniert das als irren, völlig zufälligen Heureka-Moment: Alle stürmen aus der Kneipe, und wenig später ist die Enigma geknackt. Tatsächlich aber sind solche Muster das Erste, was jeder Kryptoanalytiker studiert. Ohne sie kann man nicht mal anfangen.

The Imitation Game, USA/GB 2014 -Regie: Morten Tyldum. Buch: Graham Moore, nach Andrew Hodges "Alan Turing: The Enigma". Kamera: Oscar Faura. Mit Benedict Cumberbatch, Keira Knightley, Matthew Goode. SquareOne, 113 Minuten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: