"The Golden Age" von Woodkid:"In der Kunst gibt es kein Risiko"

Für Katy Perry, Lana del Rey und Rihanna dreht er Videos, doch Yoann Lemoine kann auch Musik. Als Woodkid veröffentlicht er nun sein lang erwartetes Debütalbum "The Golden Age". Ein Gespräch über Pomp und persönliche Komfortzonen.

Von Toni Lukic

Yoann Lemoine weiß, was gut aussieht. Als Illustrator, Fotograf und Regisseur hat er sein visuelles Talent zur Berufung gemacht. In den letzten zwei Jahren ist der gebürtige Franzose vor allem als Musikvideo-Regisseur bekannt geworden, mit ihm arbeiten Superstars wie Katy Perry, Lana del Rey oder Taylor Swift. In Lemoines Videos marschieren wilde Tiere im weiten Raum, am liebsten in Schwarz-Weiß. Man kann sich diesen Bildern kaum entziehen. Eigentlich könnte er sich entspannt zurücklehnen, doch Lemoine sucht nach immer neuen Herausforderungen. Etwa so wie ein Kind. Womöglich hat er sich deswegen den Künstlernamen Woodkid ausgesucht.

Der 30-Jährige machte schon von klein auf Musik, 2011 veröffentlichte er die Single "Iron", auf der viel Trommeln und Trompeten zu hören sind, was gewaltig und pathetisch wirkt. Bis heute wurde der Song 20 Millionen Mal auf Youtube aufgerufen (in Deutschland auf youtube nicht abspielbar, Sie können den Song jedoch hier hören) und fand sich auf dem Soundtrack zu Tarantinos Django Unchained. Nun erscheint sein Debütalbum "The Golden Age", mit orchestralen Uptempo-Nummern und Balladen voll schwermütiger Tiefe.

SZ.de: Vor kurzem haben Sie gesagt, dass Sie mit Ihrem ersten Album etwas beweisen wollen. Was genau? Dass ein Regisseur auch Musik machen kann?

Woodkid: Ich glaube nicht, dass ich jemand anderem als mir etwas beweisen muss. Als Musikvideo-Regisseur befand ich mich in einer Komfortzone, in der ich an großen Projekten arbeiten konnte und daran Spaß hatte. Aber ich habe eine neue Herausforderung gesucht - und in der Musik gefunden. Ich musste mir beweisen, dass ich auch in einer anderen Dimension kreativ sein kann.

Haben Sie das geschafft?

Ich habe mit dieser Platte das ausgedrückt, was ich wollte, und auf das Ergebnis bin ich stolz. Aber als Musiker fühle ich mich noch sehr unsicher. Als Regisseur habe ich mich etabliert, aber hier befinde ich mich noch im Studium.

Ihre Musik und Ihre Videos strotzen vor pompösem Sound und beeindruckenden Bildern. Woher kommt dieses Faible fürs Große?

Ich liebe Kino und Filmmusik. Als Kind habe ich mir oft Soundtracks besorgt, ohne die Filme dazu gesehen zu haben. Mit der Musik habe ich mir dann im Kopf Bilder geschaffen. So entwickelte ich meine Identität als Musiker und Filmemacher. Ich war auch sehr fasziniert von Videospielen wie Final Fantasy. Meine Musik soll wie eine Fahrt mit der Achterbahn sein - groß, turbulent und emotional.

Wenn Sie mit internationalen Popstars wie Katy Perry in "Teenage Dream" oder Lana del Rey in "Born To Die" zusammenarbeiten, müssen Sie sich da zurücknehmen, damit das Video nicht den Song überstrahlt?

Wenn der Song gut ist, dann ist er gut. Der Song steht immer über dem Video, weil die Leute in erster Linie das Lied hören wollen. Du wirst kein gutes Musikvideo hinbekommen, wenn du keinen guten Song hast. Meiner Meinung nach kannst du in einem Video so viel machen, wie du willst. Und wenn ein Video den Song zerstört, war er einfach nicht gut genug.

"Du musst klarmachen, was du da tust"

Hilft es einem Künstler, laut zu sein, um erkannt zu werden?

Es geht eher darum, anders zu sein. In meinem Fall durch den orchestralen Sound. Grundsätzlich musst du erkennen, wer du bist und wo du mit deiner Kunst hinwillst. Und dann musst du dich wiederholen, um deine Identität zu finden. Wie ein Künstler, der immer das fast gleiche Bild malt. Du musst klarmachen, was du da tust.

Das Publikum und die Kritiker fordern immer, dass Musiker sich künstlerisch weiterentwickeln sollen, statt sich zu wiederholen. Sonst droht irgendwann Langeweile und damit Irrelevanz.

An dieses System haben sich viele Menschen gewöhnt. Rihanna bringt einen Song raus, der einen bestimmten Sound hat, und dann kommt der nächste Song, der völlig anders klingt. Wenn man sich an diesen Ablauf gewöhnt hat, dann klingt das natürlich langweilig. Du musst aber diese Identität schaffen. Niemand würde eine Rockband beschuldigen, dass sie Gitarren bei allen ihren Songs benutzt.

In Ihren Videos und auch in Ihrer Musik zeigen Sie so starke Bilder, dass sie einem fast ins Gesicht schlagen, dazu geben sie keine Erklärungen ab. Haben Sie manchmal die Befürchtung, dass Sie Ihren Rezipienten zu viel abverlangen?

Natürlich möchte ich, dass sich Menschen mit meiner Musik auseinandersetzen. Aber ich erzähle nicht alles. Ich will Menschen einladen, in diese Welt einzutauchen, selbst zu interpretieren, was sie wollen. Manche sehen in meinen Videos eine Folge von Game of Thrones, andere einen Ingmar-Bergmann-Film. Ich mag diesen Ansatz lieber als Musik oder Filme, in denen alles erklärt wird.

Das beinhaltet aber auch das Risiko, nicht verstanden zu werden.

In der Kunst gibt es kein Risiko.

Nein?

Nicht, wenn man Kunst ernst nimmt. Natürlich möchte ich Platten verkaufen und gehört werden. Aber nicht, wenn ich dadurch die künstlerische Qualität einschränken muss.

Ich habe gelesen, dass Sie als nächstes einen Spielfilm drehen wollen. Ist das die logische Konsequenz? Höher, schneller, weiter?

Von dem Projekt habe ich vorerst wieder Abstand genommen. Als Musikvideoregisseur ist man ja eher ein Kunstfilmer. Einen Spielfilm zu drehen, ist eine komplett andere Nummer. Manche investieren vier Jahre ihres Lebens in so ein Projekt, außerdem muss man lernen, wie man mit Schauspielern und Drehbüchern umgehen muss. Mit coolen Bildern alleine ist das nicht zu schaffen.

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