"The Avengers" im Kino:Hollywoods härtester Job

Lesezeit: 3 min

Die Welt ist schwer in Bedrängnis - ein Energiewürfel wurde geklaut -, und man braucht jeden verfügbaren Superhelden, für den das Marvel-Comic-Imperium das Copyright hält. Hulk, Thor, Iron Man, Captain America und dann auch noch Scarlett Johansson tummeln sich im Kinofilm "The Avengers" im wilden Action-Chaos.

Fritz Göttler

Im wildesten Action-Chaos und -Rumoren - das in diesem Film immer auch verbal ist, wenn die diversen Superhelden sich wechselseitig positionieren und zum Team formen - muss auch Platz sein für kleine Oasen der Ruhe, die idyllisch sind und manchmal ins Ironische spielen. Da liegt dann plötzlich ein Mann im Geröll einer großen leeren Halle, ein wenig benommen noch und splitternackt, er ist vom Himmel gefallen und hat dabei einiges kaputtgemacht. Er sieht sich mit einem hageren Oldtimer konfrontiert, der versonnen auf ihn herabblickt. Da haben Sie ja ein Problem, meint der Alte, er hat ihn runtersausen sehen. Es ist Harry Dean Stanton, und er versorgt den Mann am Boden mit einem Overall, den der, Mark Ruffalo, dankbar überstreift. Noch ein Rezept des Actionkinos - Helden, amerikanische zumal, sind am besten, wenn sie down sind, niedergeschlagen und erschöpft.

Grimmiges Superweib: Scarlett Johansson zwischen Monstern, Kriegern und Superhelden in "The Avengers". (Foto: Marvel/Walt Disney)

Mark Ruffalo ist die große Nummer in den "Avengers", er gibt den Dr. Bruce Banner, einen Wissenschaftler, der als Armenarzt praktiziert in Indien, bis auch er eines Tages, in der Stunde des internationalen Notstands, zum Kampf für die Menschheit rekrutiert wird. Seine wissenschaftlichen Qualitäten sind gefragt, aber auch das, was sonst in dem Mann mit dem schrägen Blick und dem Sechziger-Haarschnitt steckt - der Incredible Hulk, jenes plumpe, grüne, aggressive Monster, in das der Mann sich verformt, wenn er sich heftig aufregt. Ruffalo hat eine schöne sanfte Manier entwickelt, mit der er die Frotzeleien der Kollegen kontert und sich dabei selbstironisch in Schach hält.

Man braucht Dr. Banner, man braucht den Hulk, man braucht jeden verfügbaren Superhelden, für den das Marvel-Comic-Imperium das Copyright hält. Denn die Welt ist schwer in Bedrängnis - der dubiose Gott Loki, Halbbruder Thors, des Hammergotts, hat den Energiewürfel Tesseract geklaut und will mit dessen Hilfe - und der wilder Kräfte des Bösen aus einem fernen Eck des Universums - die Erde unterjochen.

Weshalb Nick Fury (Samuel L. Jackson), Direktor von Shield - einem Department of Homeland Security, dessen Homeland gewissermaßen die ganze Welt ist -, die Supermänner Hulk und Thor, Iron Man und Captain America und den pfeilschnellen Hawkeye (wirklich wendig: Jeremy Renner, der nächste Bourne!) zusammentrommelt und, für die Frauenquote, Natascha (Scarlett Johansson).

Verletzte Schulbuchhelden

Das Schulbuchmäßige macht natürlich den Charme dieses Films aus, wie der versierte Kino-Kindergärtner Joss Whedon jedem seiner egomanischen Einzelkämpfer sein gerüttelt Maß an Aufmerksamkeit und Sympathie zuteilt. Denn es ist natürlich eine Schnapsidee, all diese Superhelden zusammenzuspannen - die Erfolgsarithmetik hat ihre eigenen Regeln.

Ein Team werden sie eben nicht, "es kämpft nun jeder das Seine". Ob das denn noch okay sei, fragt sich etwa Captain America, in einem solchen Stars-and-Stripes-Anzug rumzuturnen. Er arbeitet sich an einer ganzen Reihe von Sandsäcken ab, nimmt einen noch mit nach Hause. Iron Man (Robert Downey Jr.), der intellektuellste, artikulierteste, dekadenteste der Helden, betätigt sich diesmal primär im Reparaturdienst. Aus ihrem natürlichen Kontext gerissen, verlieren sie alle ihr Selbstverständnis, ihre natürliche Gnade. Was sie unglaublich verletzlich macht. Ihr Infantilismus wird sichtbar, sie werden ihrer Absonderlichkeit sich bewusst - dass sie nie zu der Welt gehören werden, die sie retten müssen.

In den Einzelfilmen, die ihnen gewidmet sind, sieht man sie tragisch laborieren an diesem Dilemma - das werden in diesem Sommer noch Batman und Spider-Man in neuen Filmversionen demonstrieren. Die Avengers dagegen tummeln sich die meiste Zeit elitär fern der Welt auf einem fliegenden Superflugzeugträger, und auch am Ende, wenn sie zur Rettung der Stadt ins zertrümmerte New York müssen, agieren sie immer fernab von den terrorisierten Bürgern.

Ein Krieg, muss Nick Fury gestehen, den wir nicht mehr führen können. Kein Blut-Schweiß-und-Tränen-Impuls, der neue Weltkrieg wird nicht mehr vom Volk geführt, sondern von Kriegern. Der Kampf ist wieder Privileg geworden. Joss Whedons Film ist durch und durch feudal, eine Art Marvel-Ilias. Seine Helden sind Einzelkämpfer, auch wenn sie Rücken an Rücken stehen. Heroisch die Montage, die sie zusammenfügen muss.

Im Grunde ist das gar nicht so weit von dem Projekt Lokis entfernt und seiner paternalistischen Politik: Die Menschen sollten doch froh sein, wenn sie auf die Knie gehen dürften vor einem, der für sie denkt und sorgt. Ein erster Versuch dazu geht freilich daneben, er findet statt in der widerstandsfreudigen Stadt Stuttgart.

THE AVENGERS, USA 2012 - Regie, Buch: Joss Whedon. Kamera: Seamus McGarvey. Schnitt: Lisa Lassek. Mit: Robert Downey Jr., Chris Evans, Mark Ruffalo, Chris Hemsworth, Scarlett Johansson, Jeremy Renner, Tom Hiddleston, Samuel L. Jackson . Walt Disney, 142 Min .

© SZ vom 26.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: