Tenor:Worte wie Töne

Julian Pregardien

Für seine warme Tenorstimme geschätzt und nicht nur bei Liederabenden ein gern gehörter Interpret: Julian Pégardien.

(Foto: Marco Borggreve)

Julian Prégardien hat zusammen mit dem Pianisten Rudi Spring einen Liederabend konzipiert, der das Genie des Lyrikers, Orientalisten und Sprachwissenschaftlers Friedrich Rückert erkunden soll

Interview von Jennifer Gaschler

Das Alte wird nie alt, es wird nur alt das Neue." Nicht nur für Aphorismen ist er gut, sondern auch für sein Lebenswerk wird er von Kennern geschätzt: Friedrich Rückert, der bedeutende Lyriker der Romantik, Begründer des Orientalismus und einflussreiche Sprachwissenschaftler. Seine Wirkungs-Städte Coburg, Schweinfurt und Erlangen schrieben dieses Jahr zum Rückert-Jahr aus. Aber auch in München wird Rückert anlässlich seines 150. Todestages gedacht. Der lyrische Tenor Julian Prégardien konzipierte gemeinsam mit dem Komponisten Rudi Spring einen Liederabend.

SZ: Als goethegleiches Genie, inzwischen nur leider von der breiten Masse vergessen - so beurteilen viele Friedrich Rückert. Wie ordnen Sie ihn ein?

Julian Prégardien: Rückert steht leider tatsächlich im Schatten anderer Dichterfürsten. Bei Sterbeanzeigen, da liest man heute noch häufig Rückert-Gedichte. Aber flächendeckend ist nicht bekannt, dass er einer der wichtigsten Sprachgenies des 19. Jahrhunderts war, nur etwa sechs Wochen hat Rückert angeblich gebraucht, um eine neue Sprache zu lernen - 44 konnte er am Ende. Rückert wollte Fremdsprachen außerdem so intensiv können, wie seine Muttersprache. Dadurch war er fähig, die poetischen Texte detailliert zu verstehen und diese dann auch in ihrem Sinn zu übersetzen, nicht nur in ihrem Wortlaut. Das, könnte man sagen, war seine große visionäre Tat. Und dafür sollte er bekannter sein, als er es ist. Er hat aber auch die vielleicht wichtigste deutsche Koran-Übersetzung angefertigt und sich formell mit der fernöstlichen Lyrik auseinandergesetzt, die ihn zu eigenen Gedichten inspiriert hat.

Wie sieht es da mit dem Publikum von Liederabenden aus? Kennen die Rückert?

Also die Vertonungen von Gustav Mahler, die sind schon bekannt, vor allem die "Kindertotenlieder". Die zeigen eine sehr persönliche, sehr berührende Facette von Friedrich Rückerts Schaffen. Auch die Vertonungen aus dem Gedichtband "Liebesfrühling", die vor allem Robert Schumann gemeinsam mit seiner Frau Clara geschaffen hat, kennen viele. Die Lieder sind durch die beiden auch mit einem Sinnbild von Liebesglück belegt. Aber das sind nur diese zwei Facetten von Rückert, die musikalisch weitläufig bekannt sind.

Und das möchten Sie mit den Neukompositionen von Rudi Spring, die bei dem Liederabend uraufgeführt werden, ändern?

Ja, das Sprachgenie Rückert wollen wir ebenso abbilden, wie den Orientalisten. Spring und ich haben deshalb im riesigen Gedichtband "Östliche Rosen" gesucht, der Hunderte von Gedichten umfasst, von denen bisher fast keines vertont wurde. Da haben wir zum Beispiel "Nicht den Ostwind sollst du fragen" ausgewählt. Zusätzlich haben wir auch unbekanntere Rückert-Vertonungen ins Programm aufgenommen, etwa "Begegnung" von Bernhard Sekles aus Rückerts chinesisch inspiriertem Poesieband "Schi-King". Oder aber auch das - dann doch wieder eher bekannte - Schubert-Lied "Sei mir gegrüßt", das widerspiegelt, wie sich Rückert östliche lyrische Formen angeeignet hat, hier den Ghasel, ein arabisches Refrain-Gedicht.

Sehen Sie sich mit dem Rückert-Liederabend demnach auch in einer Art Lehrfunktion?

Ja, also es soll keine akademische Veranstaltung werden. Aber wir haben ausführlich über Rückert und seine Vertonungen recherchiert. Und der Person Rückert wollten wir dabei in voller Bandbreite gerecht werden, das war in Gänze mit den bekannten Vertonungen nicht möglich. Dabei sind wir zum Beispiel auf Carl Loewe gestoßen, ein Zeitgenosse Schuberts, der heute auch nicht mehr so bekannt ist. Der hat zwei ganze Liederkreise nach Rückert verfasst. Die zeigen noch einmal einen anderen Rückert, weil sie geradezu vor Sprachwitz und Humor sprühen.

Für welchen Stil hat sich Spring bei den Neukompositionen entschieden?

Die neuen Vertonungen wirken in ihrer Klanglichkeit sehr ursprünglich, assoziativ, ganz und gar nicht neo-romantisch. Spring spielt mit Obertönen, mit Klängen, Bildern. Er komponiert auch syllabisch, also pro Wortsilbe ein Melodieton, und erschafft damit Deklamationslieder, die sich ganz stark am Text entlang hangeln. Das ist natürlich weniger melodiös als Schuberts Vertonungen, eher verschachtelt-melodiös - aber auch keinesfalls atonal. Ich freue mich jedenfalls bereits sehr darauf, die Uraufführungen zu singen.

Julian Prégardien: Rückert - Liederabend, Dienstag, 20. September, 20 Uhr, Allerheiligen-Hofkirche

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: