Tempelritter-Symbolik in Breiviks Manifest:Wahnvorstellungen von einem neuen Rittertum

Die Verbindung von Glauben, Opferbereitschaft und Elitegefühl machen die Symbolik des Tempelritters zur naheliegenden Wahl: Anders Bering Breivik berichtet in seinem Manifest nicht nur von einer Neugründung des Templerordens, er selbst sieht sich als Teil davon. Offensichtlich sucht der norwegische Terrorist Anschluss an die Geschichte.

Tobias Kniebe

In der Mitte prangt das rote Kreuz der Tempelritter in geringer Auflösung. Darunter Untertitel in Latein: "De Laude Novae Militiae - Pauperes commilitones Christi templique Solomonici." Das Hirn, das dieses Deckblatt entworfen hat, sucht ganz offensichtlich Anschluss an die Geschichte. Es möchte sich in einer langen Tradition sehen, versucht den Rückgriff auf ein seit Jahrhunderten versunkenes Christentum.

TERRA X

Im Jahr 1118 gegründet, 1312 von Papst Clemens V. wieder aufgelöst: Der Templerorden (im Bild die Darstellung eines Ritters aus der ZDF-Sendung "Die Templer") ging mit seinen Kreuzzügen in die Geschichte ein und wurde angeblich im April 2002 in London wieder zum Leben erweckt.

(Foto: dpa)

Der erste Teil des Untertitels zitiert den mittelalterlichen Abt, Kreuzzugsprediger und Mystiker Bernhard von Clairvaux und dessen "Buch an die Tempelritter - Lobrede auf das neue Rittertum". Der zweite Teil nennt den offiziellen Namen des um das Jahr 1118 gegründeten Templerordens: "Arme Ritterschaft Christi und des salomonischen Tempels". Der gebräuchliche Anhang "zu Jerusalem" fehlt, aber dazu gibt es im Inneren des Konvoluts sogar eine Erklärung: "In der Mehrzahl der Quellen, in denen dieser Name vorkommt, wird das Wort ,Jerusalem' nicht erwähnt." Hier schreibt nicht nur ein künftiger Massenmörder, soll das wohl suggerieren, sondern auch ein Autodidakt mit quasi-wissenschaftlichem Anspruch.

Er selbst gibt sich den Titel "Justiciar Knight Commander for Knights Templar Europe" - aber erst etwa 800 Seiten später erfährt man mehr: von einem Treffen, das angeblich im April 2002 in London stattfand, bei dem der 1312 von Papst Clemens V. aufgelöste Templerorden "neu gegründet" wurde. Neben dem Berichterstatter aus Norwegen waren scheinbar sieben künftige "Ritter" aus England, Frankreich, Deutschland, Holland, Griechenland und Russland anwesend. Sie gelobten, "den freien eingeborenen Völkern Europas zu dienen und gegen den andauernden Europäischen Dschihad zu kämpfen", und zwar als "bewaffnete Kreuzzugs-Bewegung".

Für eine Verschwörungstheorie, die Europa in den Fängen von "Kulturmarxisten" und "Multikulturalisten" sieht, also von Leuten, die eine "Kolonisation durch den Islam" begrüßen und vorantreiben, ist die Symbolik der Tempelritter eine naheliegende Wahl. Hier verbindet sich starker Glaube, Opferbereitschaft und ein Ethos des Schützens und Dienens, das zur Verschleierung einer reinen Hass-Agenda nützlich sein kann, mit dem Elitegefühl eines Ordens ausgewählter Krieger, die lieber Tod und Martyrium in Kauf nehmen, als dem Islam einen Millimeter Boden zu überlassen.

Der historische Orden, der sein erstes Quartier auf dem Tempelberg in Jerusalem hatte, wurde nach dem ersten Kreuzzug gegründet und kämpfte dann vor allem in Rückzugsgefechten gegen die Mameluken, als das "Königreich Jerusalem" verloren ging. Die überlieferte Ordensregel weist die Brüder an, "das Licht des jetzigen Lebens und die Qualen eures Körpers gering zu schätzen". Durch die "göttliche Speise gestärkt und gesättigt" solle sich "keiner fürchten, in die Schlacht zu ziehen, vielmehr bereit sein für die Krone."

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