"Taxi Teheran" im Kino:Äußerlich unbeugsam, innerlich locker

Kinostart - 'Taxi Teheran'

Mit drei installierten Digitalkameras im Inneren fährt Regisseur Jafar Panahi in einem Taxi. Um mehr geht es nicht in "Taxi Teheran" - aber auch nicht um weniger.

(Foto: dpa)

Mit "Taxi Teheran" setzt sich Regisseur Jafar Panahi über sein Berufsverbot in Iran hinweg. Aber vor allem feiert er die pure Lust am Filmemachen.

Von Tobias Kniebe

Soll man diesen Film einen Akt des Widerstands nennen? Ein Fanal der Freiheitsliebe, eine Anklageschrift gegen die Willkür der Macht? All das wäre vollkommen richtig, und es würde der Bedeutung von Jafar Panahis "Taxi Teheran", der im Frühjahr zur Berlinale geschmuggelt wurde und dort den Goldenen Bären gewann, auch gerecht. Es wäre nur nicht sehr nett.

Denn es klingt, was seine Aussichten beim Publikum betrifft, sicherlich viel zu schwer. Viel zu sehr nach Pflicht und Weltverbesserung, viel zu wenig nach Witz und Vergnügen und purer Lust am Filmemachen. Denn darum geht es hier zuallererst. Es geht um einen Regisseur, der einfach das Berufsverbot ignoriert, das der iranische Staat gegen ihn verhängt hat, und unbeirrt weiterfilmt. Das macht er inzwischen so leicht, so augenzwinkernd und scheinbar mühelos, dass man nur staunen kann. Und doch sind sein Kampf, sein Einsatz, sein persönliches Risiko auch in diesem Werk stets präsent.

Jafar Panahi setzt sich also selbst hinters Steuer eines Taxis und fährt Menschen durch Teheran. Im Inneren des Autos hat er drei Digitalkameras installiert, die er auf sich selbst, seine Passagiere oder auch nach draußen richten kann - manchmal zeigt er auch ganz offen den Handgriff, mit dem er sie schwenkt. Diese Ausstattung erlaubt es ihm, einerseits unbemerkt zu bleiben, andererseits aber in Echtzeit zu filmen und auf alles zu reagieren.

Zum Schutz der beteiligten Personen verzichtet Panahi auf einen Abspann

Da steigt dann zum Beispiel ein massiger Mann in sein Taxi, Kurzarmhemd, Machogrinsen, Silberhalskettchen. Er setzt sich auf den Beifahrersitz, fängt an zu reden und bezweifelt gleich mal, dass Panahi ein echter Taxifahrer ist, weil er sich im Straßengewirr zu wenig auskenne. Dann kommt eine ältere Frau mit schwarzem Kopftuch dazu, denn die Menschen in Teheran haben offensichtlich nichts dagegen, ihre Taxis zu teilen.

Sogleich gibt es Streit über die Todesstrafe. Die Frau, eine Volksschullehrerin, ist strikt dagegen. Der Mann ist sehr dafür - mit der ironischen Pointe am Schluss, dass er sich beim Aussteigen als professioneller Taschendieb zu erkennen gibt. Kaum sind die beiden weg, setzt sich ein Kleinwüchsiger ins Auto, der behauptet, Panahi zu kennen - und die beiden vorherigen Fahrgäste als Schauspieler identifiziert zu haben.

So begreift man schnell, dass "Taxi Teheran" ein vielschichtiges Vexierspiel betreibt: Alle Figuren reagieren auf den Mann am Steuer so, wie sie auf einen doch recht bekannten Künstler und Dissidenten eben reagieren würden, der auf einmal Taxi fährt. Natürlich vermutet man, dass das Teil des Plans ist - und dass die meisten Fahrgäste professionelle Darsteller sind, die nach vorgegebenen Ideen improvisieren. Genauso könnte es aber sein, dass tatsächlich auch mal ein Ahnungsloser zugestiegen ist, der sich zwanglos ins Geschehen einfügt. Man weiß es nicht, und Panahi verrät es auch nicht - am Ende gibt es, zum Schutz aller Beteiligten, nicht einmal einen Abspann.

Und dann kommt Panahis Nichte

Alles scheint jedenfalls in anderthalb Stunden an einem sonnigen Nachmittag zu spielen, und die Kamera verlässt das Taxi nie - das ergibt eine fast aristotelische Einheit des Orts, der Zeit und der Handlung. Alltagsgeschichten entspinnen sich: Nach einem Mopedunfall muss der blutende Fahrer ins Krankenhaus gebracht werden; zwei ältere Damen steigen mit einem Goldfischglas zu, um ein abergläubisches Ritual zu vollziehen; ein Mann erzählt, dass er Opfer eines Raubüberfalls geworden ist und auch weiß, wer der Täter ist - nur möchte er ihn nicht an die iranische Justiz ausliefern.

Hana Saeidi Taxi Teheran Kino Jafar Panahi

Dies ist Hana Saeidi, die Nichte des Regisseurs Jafar Panahi. Ihr Blick sagt: Du bist vielleicht ein netter Onkel, aber kein guter Taxifahrer.

(Foto: Weltkino)

Manches davon, wie die Gespräche über das Rechtssystem und die Todesstrafe, streifen bereits implizit Jafar Panahis eigene Situation. Seine Verhaftungen als Teilnehmer der Proteste gegen den damaligen Staatspräsidenten Ahmadinedschad, seine Zeit im berüchtigten Evin-Gefängnis, seine Verurteilung zu sechs Jahren Haft und zwanzig Jahren Berufs- und Reiseverbot. Man kann nur spekulieren, wie viel Bewegungsfreiheit Panahi im Augenblick hat, und wie er es immer wieder schafft, seine minimalistischen Filme (2011 gab es schon "Dies ist kein Film", 2013 folgte dann "Pardé/Closed Curtain") fertigzustellen und in den Westen zu schaffen. In seinem eigenen Interesse muss das möglichst im Dunkeln bleiben.

Selbst der Schulfilm der zehnjährigen Hana darf keine "Schwarzmalerei" enthalten

Aber er findet immer wieder Wege, vom Elend des Künstlers in Iran zu erzählen, ohne jemals ganz direkt oder larmoyant zu werden. Hier zum Beispiel schenkt er seiner zehnjährigen Nichte Hana Saeidi einen wunderbaren Auftritt - sie darf in "Taxi Teheran" sich selbst spielen. Onkel Jafar holt sie nach dem Unterricht ab, und das Mädchen, hübsch, blitzgescheit und altklug, klagt sein Leid über ein unmögliches Schulfilmprojekt: Einerseits sollen die Schüler rausgehen und die Wirklichkeit filmen, andererseits hat die Lehrerin ihnen viele strenge Regeln diktiert: islamische Kleiderordnung, keine Berührung zwischen Mann und Frau, keine Gewaltdarstellung, keine "Schwarzmalerei".

Besonders die Sache mit der Schwarzmalerei macht Hana zu schaffen. Alles, was sie mit ihrer kleinen Kamera auf den Straßen filmt, wird der Lehrerin und Zensorin zu hässlich und zu deprimierend sein - etwa der Junge, der das Geld, das einem Mann aus der Tasche gefallen ist, nicht zurückgibt, obwohl sie ihn anfleht, der Held ihres Films zu werden.

Hana ist dann bis zum Ende im Taxi mit dabei, aber zwischendrin gibt es noch einen weiteren bewegenden Auftritt. Da steigt eine Dame mit einem Rosenstrauß ein, die namentlich identifiziert werden darf, weil sie ohnehin nichts mehr zu verlieren hat. Es ist Nasrin Sotudeh, eine der bekanntesten Anwältinnen und Menschenrechtsaktivistinnen Irans, selbst über Jahre eingesperrt, mehrfach im Hungerstreik, seit September 2013 aber wieder frei.

Sie fährt ein paar Minuten mit, und sie redet mit Jafar Panahi über die Methoden des Unrechtsstaats, die sie beide am eigenen Leib erfahren haben. Was wie herzliches Geplauder unter alten Komplizen wirkt, ist in Wahrheit sehr viel mehr, und gerade in ihrer Beiläufigkeit enthält diese Begegnung eine der schönsten Lektionen, die es seit Langem im Kino zu sehen gab: Wie man auch unter stärkstem Druck seine Ideale nicht aufgibt - und wie man es hinbekommt, äußerlich absolut unbeugsam, innerlich aber trotzdem völlig locker zu bleiben.

Taxi, Iran 2015 - Regie, Buch, Kamera, Schnitt: Jafar Panahi. Mit Jafar Panahi, Hana Saeidi, Nasrin Sotudeh. Verleih: Weltkino, 82 Minuten.

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