"Tatort":Burli ermittelt

Der Weinbau hat viel mit großer Kunst zu tun: Kommissar Kappl verirrt sich im saarländischen Winzermilieu.

Barbara Gärtner

Die Bösen leben im Tatort stets im modernistischen Glaskasten. Wer im Fachwerk wohnt, tötet höchstens aus Notwehr. Darum ist das Weinhändler-Ehepaar mit seinem eisweißen Flachdachbunker im Hügelgrün auch aus architektonischen Gründen verdächtig. Bei ihnen prüfte erst der strenge Traubenkontrolleur, dann war der tot, sein Testkoffer fort und die Dame des Hauses schaut seither recht biestig drein.

"Tatort": Die Tatort-Kommissare Deininger (Gregor Weber, links) und Kappl (Maximilian Brückner).

Die Tatort-Kommissare Deininger (Gregor Weber, links) und Kappl (Maximilian Brückner).

(Foto: Foto: dpa)

Die Winzerei, das lernt der bayerische Hauptkommissar Franz Kappl (Maximilian Brückner) bei seinem vierten Einsatz an der Saar, hat mit Landwirtschaftsmaloche wenig und mit großer Kunst viel zu tun; die vermeintlichen Mörder tragen jedenfalls schwungvolle Pianistenhaare und sind mit seiner Biertrinkerungeduld kaum zu knacken. Die zieht nur beim bockigen Halbstarken und der amtierenden Weinkönigin, die sich dann auch bereitwillig entkleidet.

Wein und Wahrheit werden ja immer schon gerne zur Sprichwort-Schorle gemischt, der Saar-Tatort "Bittere Trauben" strebt indes nach der reinen Essenz und den unverdünnten Gefühlen - Liebe, Rache, Einsamkeit, dazu ein Achtel von jenem Chauvinismus, der Frau und Grund gleichsetzt.

All das wird im steten Wechsel von Gegenlicht und Halbdunkel gefilmt. Da blicken einsame Männer vom Berg aus sorgenvoll ins liebreizende Tal, während dunkelhaarige Damen in blutroten Seidennegligés durchdrehen - Regisseur Hannu Salonen hat keine Angst vor Pathos, und auch dessen penetrante Tante, die Peinlichkeit, fürchtet er nicht.

Eine Abwechslung vom tatortüblichen Problemkleinklein ist diese Folge, doch den Saarländern fehlt die 90-Minuten-Konsequenz. Weil der Saarbrücken-Neuling Franz Kappl offenbar noch mit Privatleben unterfüttert werden soll, reist zur Halbzeit plötzlich sein Vater (Konstantin Wecker) an, nennt seinen Sohn autoritätsmindernd "Burli", poussiert mit der Sekretärin (Alice Hoffmann), und die ganze edle Falcon-Crest-Anmutung wirkt wieder wie Oberammergau.

Den eigenen Tatort-Ton zwischen Münster-Albernheit und Frankfurt-Finsternis haben die Saarländer noch nicht gefunden, aber mit Maximilian Brückner einen Ermittler, der beides kann: welpenhaftes Burli und ernsthafter Ermittler.

Dramaturgisch und reiseverkehrstechnisch erscheint es plausibel, einen Zugezogenen zum Hauptermittler zu befördern und ihm dann Folge für Folge die Schönheiten des Bundeslandes vorzuführen; ein Marketingtrick, den die Stuttgarter auch bestens als Wir-können-alles-Kampagne nutzen. Nach der Bergbau-Lektion in Folge drei stand für den Bayern Kappl und die Zuschauer nun also Weinbau auf dem Stundenplan.

Eine beleidigte Boulevard-Debatte, wie sie in Berlin gerade aufgeführt wird, man kann sie sich im lieblich gefilmten Saarland kaum vorstellen: Als hässlich hatten die dortigen Tatort-Darsteller Dominic Raacke und Boris Aljinovic ihre Stadt in einem Interview bezeichnet, worauf der Berliner Kurier schäumte. Beim Saarländischen Rundfunk wird der Tatort eher als eine Art Bundesvision Song Contest verstanden - bei dem nicht gesungen, sondern gemordet wird. Saarland: neun von zwölf Punkten.

Tatort - Bittere Trauben, ARD, Sonntag 20.15 Uhr

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