"Tatort":Alt und neu

Der Kölner Müllskandal liefert die Vorlage für einen "Tatort", bei dem viel in Vergangenem gewühlt wird. Besonders das seelische Terrain ist hochgradig kontaminiert.

Stefan Fischer

Der neue Kölner Tatort ist ein Männerfilm. Wo man hinsieht: kauzige, spießige, aufgeblasene, waidwunde Männer. Ein Panoptikum der Neurosen und Charakterschwächen stellen Achim Scholz (Buch) und Kaspar Heidelbach (Regie) aus. Der Titel dieser Folge, "Müll", kann demnach auch auf diese hintergründige Ebene des Krimis bezogen werden. Viel seelischer Unrat wartet auf seine Entsorgung.

"Tatort" in Köln

Die Tatort-Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, r.) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) und ihr Einsatzwagen - eine 1964er Corvette.

(Foto: Foto: WDR)

Und dann ist da diese Frau. Elena Uhlig. Sie pflanzt einen Baum. Schaufelt Erde auf die Wurzeln. Eine alltägliche Verrichtung; Uhlig spielt Kaja Krumme, eine Gärtnerin. Nebenan haben die Männer gerade zehn Minuten in den Müllhaufen einer Recyclingfirma gestochert. Es hat gebrannt dort, und als das Feuer gelöscht war, wurde in der Asche der Torso einer Frauenleiche entdeckt. In diesem Kontext bekommt Uhligs Auftritt einen symbolhaften Zug: Das Auffüllen der Erde erzählt davon, dass man oft erst etwas Altes eingraben oder zuschütten muss, ehe etwas Neues entstehen kann. Auch etwas Geheimniskrämerisches haftet ihm an.

Der ganze Film dreht sich darum. Gegenstände werden weggeschmissen und Beziehungen, Erinnerungen werden verbuddelt. Einiges davon wird kompostiert oder verbrannt oder sonstwie verarbeitet und setzt in seiner neuen Form Energie frei oder gibt einen Nährboden ab. Wiederum andere Dinge werden aufgelesen von Menschen, die ihnen noch einen Wert beimessen.

An alten Dingen festhalten oder Neues beginnen

Willy (Hans Diehl) ist so einer: Er sucht auf Müllkippen nach Sachen, von denen andere nichts mehr wissen wollen. Seine Wohnung ist vollgestopft mit Gerümpel aus vielen Jahrzehnten besessenen Sammelns, und nun hat er auch noch ein Stückchen Wahrheit hervorgezerrt in einer Geschichte, in der es um Lügen und Erpressung geht, um Leben und Tod.

An alten Dingen festhalten oder Neues beginnen: Auch die Kommissare Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) tragen da eine kleine Fehde aus. "Es gibt so schöne normale Dienstfahrzeuge", mault Ballauf. Schenks Wagen jedoch ist älter als vierzig Jahre: eine 1964er Corvette. Schenk ist es auch, der als erster von den beiden Zugang findet zu Willy, weil auch der ein Gefährt Baujahr '64 hat, eine NSU Quickly. Natürlich hat er das Moped auf einem Müllplatz gefunden. "Das gehört so", erklärt Schenk seinem Kollegen, der sich beklagt, dass die Quickly so laut knattert und der Willy deshalb eine Anzeige androht. Auf seine älteren Tage kommt immer stärker der Spießer in Max Ballauf zum Vorschein.

Geschickt nimmt dieser Tatort den realen Kölner Müllskandal auf. Er stellt ihn nicht nach, begibt sich also nicht in die Gefahr, sich zu verheddern in einem Abgleich mit der Wirklichkeit. Aber die Geschichte ist auch in diesem Krimi präsent, sie wird explizit angesprochen und ja auch automatisch mitgedacht. Und so liefert sie natürlich das Raster, in dem die Kommissare und der Staatsanwalt denken.

Das schränkt Ballauf und Schenk ein in ihrer Wahrnehmung - andererseits müssen sie in dem Dreck auf dem Recyclinghof gar nicht so lange wühlen, bis es zum Himmel stinkt, nicht nur in dem Mordfall. Neues jedenfalls wird so schnell nicht gedeihen auf diesem Terrain. Vor allem das seelische ist hochgradig kontaminiert.

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