Tanz:Kostümorgie

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Das Ballett "Hamlet" am Theater Augsburg

Von Rita Argauer, Augsburg

Shakespeares Figuren lassen sich eigentlich sehr gut verkleiden. Etwa Hamlet, der aktuell als Motorrad-Biker in der Serie "Sons of Anarchy" herumläuft und trotz äußerer Härte in seiner Melancholie berührt. Das Theater Augsburg spielt nun gerade eine Ballettversion des Dramas um den dänischen Prinzen. Im Jahr 2000 choreografierte der US-Amerikaner Stephen Mills den Stoff für das Austin Ballet zu einer Musikzusammenstellung aus Kompositionen von Philip Glass, nun ist das Stück zum ersten Mal in Europa zu sehen.

Dass Shakespeares Dramen auch als Handlungsballett funktionieren, zeigt insbesondere Young Soon Hues moderne und dabei berührende Augsburger Version von "Romeo und Julia". Doch bei Mills wirken die Verkleidungen leider stärker als die Figuren selbst. Der Wille zur Eindeutigkeit und die Illusionswut des Choreografen vereiteln es, den Charakteren nahe zu kommen. Die Feinheiten des Tanzes werden übertüncht. Denn bei Mills erzählen alle Mittel des Theaters gleichzeitig. Er steigt bei Hamlets Tod ein und lässt die Geschichte als Erinnerung des gerade Verstorbenen erzählen. Dramaturgisch lassen sich dafür wenig Gründe erkennen, außer dass die Rückschau ein pathetisch düsteres Anfangsszenario liefert. Hinter dunkel-transparentem Vorhang liegt der aufgebahrte Dänen-Prinz (Theophilus Vesely), der schließlich in bester Illusionstheater-Manier samt Bahre nach oben gefahren wird. Und mit solchen Theatertricks geht es weiter: Bühnendegen, Theaterblut oder eine Wasserpfütze für Ophelias Tod. Die Tänzer haben bei so viel Brimborium kaum eine Chance zur Gestaltung; es ist, wie wenn unter zu viel Make-up die Mimik verschwindet. Ana Dordevic als Ophelia bekommt vor dem Suizid zwar einen kurzen intimen Moment vor schwarzem Vorhang, doch bevor sich das Zuschauerherz ihr öffnet, funken schon wieder Projektionen und Wassergeplätscher dazwischen. Und Erich Payers Auftritt als Geist verschwindet fast völlig im Trockeneis-Nebel.

Die Inszenierung funktioniert immer dann, wenn die Tänzer Raum haben. Eveline Drummen als Getrude etwa nimmt sich diesen Raum, weil sie ihre Figur mit einer steifen und gleichzeitig tänzerisch virtuosen Körperlichkeit ausstattet, die gegen die aufgetakelte Theaterausstattung ankommt. Auch zündet Mills' Einfall, Ophelia und Hamlet in den Wahnsinnsszenen durch Doppelgänger zu vervierfachen, die in ausgeklügelten Variationen mit ihren Protagonisten synchron tanzen und sich dann wieder daraus lösen. Ein wenig mehr Vertrauen in die Stärke ähnlicher Szenen und weniger Oberflächengestaltung hätten gut getan.

© SZ vom 09.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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